Dokument vom:
12.02.2008
Schriften Band 54 (2005)

Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 54 (2005)

herausgegeben von Gerd Eversberg

 

Inhalt

Vorwort

Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum

Regina Fasold „Wenn ich nur dort hinüber könnte,/ Wer weiß! – vielleicht noch fänd’ ich’s dort“
Orte der Heimkehr bei Theodor Storm

Gerd Eversberg Neues zu Storms frühen Schreibexperimenten.
Mit den frühesten Briefen Storms und einem bisher unbekannten Prosatext aus dem Jahre 1835.

Karl Ernst Laage Theodor Storm und seine Vaterstadt Husum.
Ein widersprüchliches Kapitel seiner Biografie.

Annette Nathanielsz Tod, Weiblichkeit und Hysterie in „Auf der Universität“.
Theodor Storms Novelle als norddeutsches Sittenbild aus der Provinz

Achim Küpper „Das kommt von all’ dem Bücherlesen“!
Intertextualität, Erzählproblematik und alternative Lesepläne in Theodor Storms Novelle „Im Schloß“

Hartmut Pätzold „So muß gearbeitet werden“.
Überlegungen im Anschluss an Theodor Fontanes Lob von Storms Novelle „Renate“

Gerd Eversberg Stormforschung und Storm-Gesellschaft

Elke Jacobsen Storm-Bibliographie

Buchbesprechungen

Horst Joachim Frank: Literatur in Schleswig-Holstein, Bd. 3: 19. Jahrhundert. Erster Teil: Im Gesamtstaat. Zweiter Teil: In Preußen und im neuen Reich. Neumünster: Wachholtz 2004. (Heinrich Detering)

Paul Barz: Theodor Storm. Wanderer gegen Zeit und Welt. Eine Biographie. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2004. (Fiete Pingel)

Theodor Storm: Ein Bekenntnis. Novelle. (1887). Text und Materialien. Hrsg. von Walter Zimorski. Schleswig: Schleswiger Druck- & Verlagshaus 2004. (Jean Lefebvre)

Christine Reiter: Gefährdete Kohärenz. Literarische Verarbeitung einer ambivalenten Wirklichkeitserfahrung in den Novellen Theodor Storms. (Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft. Herausgegeben von Karl Richter, Gerhard Sauer und Gerhard Schmidt-Henkel.) Röhrig Universitätsverlag GmbH St. Ingbert 2004. Band 81. (Regina Fasold)

Christine Geffers Browne: Theodor Storm. Das Spannungsverhältnis zwischen Glauben und Aberglauben in seinen Novellen. New York: Lang 2002. (North American Studies in Nineteenth-Century German Literature Bd. 30) (Louis Gerrekens)

Dimitra Dimitropoulou: Bürgerliches Erziehungsverhalten und Persönlichkeitsformung im Spätwerk Theodor Storms. Berlin: Logos 2004. (Andreas Blödorn)

Theodor Storms Halligwelt und seine Novelle „Eine Halligfahrt“ mit der Rungholt-Sage. Herausgegeben von Karl Ernst Laage. Heide: Boyens Buchverlag 2004. (Walter Zimorski)

Inge und Reiner Wild (Hg.): Mörike-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler 2004.
Eduard Mörike: Sämtliche Erzählungen. Hg. v. Wolfgang Braungart. Stuttgart: Reclam 2004. (Martin Lowsky)

Rolf Hartmann (Hg.): See-Sätze und andere. Norddeutsches Jahrbuch 2004 für Literatur, Geschichte, Malerei. Niebüll: Verlag videel 2004. (Gerd Eversberg)

Geschichte Husums von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. Von der Gesellschaft für Husumer Stadtgeschichte. Husum: Husum Druck 2003. (Holger Kalmus)

Ulrich Schulte-Wülwer: Föhr, Amrum und die Halligen in der Kunst. Heide: Boyens Buchverlag, 2. Auflage, 2004. (Walter Zimorski)
Gerd Stolz: Heinrich Adolph Meyer und sein „Haus Forsteck“ in Kiel. Husum: Husum Druck 2004. (Martin Lowsky)

Abbildungsverzeichnis

Richtlinien zur Manuskriptgestaltung

Verzeichnis der Mitarbeiter

Vorwort

Wir eröffnen unsere diesjährigen „Schriften“ mit dem Festvortrag, den Regina Fasold anlässlich der Storm-Tagung 2004 in der Husumer Kongresshalle gehalten hat. Sie thematisiert erneut Storms Vergänglichkeitsgefühl und die Gründe für das obsessive Sich-Erinnern-Müssen vieler Helden Stormscher Novellen. Ihre Fragen zielen auf die Sehnsucht der Protagonisten nach den Rätseln der Vergangenheit, in der sie dem nachspüren, was ihr Ich im Verlauf ihres Lebens verloren hat. Anders als in der Tradition der Romantik zielt die Sehnsucht nach Heimat bei Storm nicht auf einen topographisch fixierbaren Ort, sondern eher auf eine Bindung an ein weibliches Objekt, so dass die Sehnsucht nach einem Zuhause oft mit der Liebessehnsucht verknüpft erscheint. Die Verfasserin erörtert am Beispiel der beiden Erzähler die unerfüllten Liebesbeziehungen in der Novelle „Eine Halligfahrt“ und deutet die Unfähigkeit, eine aktive und positive Beziehung zum Liebesobjekt aufzubauen, psychoanalytisch als Angst vor einem unüberwindlich erscheinenden Mutterimago. In der Erzählung „Eine Halligfahrt“ verdichtet Storm einige mit diesem Komplex verbundene Motive, die Teile seines novellistischen Werks von „Immensee“ bis zum „Schimmelreiter“ durchziehen.

Gerd Eversberg konnte im Frühsommer 2004 bei der Durchsicht neu erworbener Handschriften einen bisher unbekannten Storm-Text identifizieren, eine Erzählung, die der damalige Schüler der Husumer Gelehrtenschule 1835 im „Ditmarser und Eiderstedter Boten“ veröffentlicht hat. Die Kommentierung dieses Fundes war Anlass, die Bedeutung der Schulzeit für Storms Schreiben gründlich zu durchleuchten. Recherchen im Archiv der Hermann-Tast-Schule (dieses Gymnasium setzt die Tradition der Husumer Gelehrtenschule fort) belegen, dass Storm entgegen vielfacher Selbstaussage die sprachlichen und technischen Voraussetzungen für seine spätere Poesie im Griechisch-, Latein- und Deutschunterricht seiner Schule erworben hat. Schreiben bedeutet für den Schüler zunächst die Fortsetzung dessen, was zum selbstverständlichen Themenbestand höherer Schulbildung des 19. Jahrhunderts gehörte. Storms frühe Lyrik, von ihm im Alter als bloßes „Flügelprüfen“ abgewertet, erweist sich von höherer Qualität, als von der Forschung bisher angenommen wurde. In diesem Zusammenhang entdeckte der Verfasser drei Kinder-Briefe aus den Jahren 1826 bis 1828, die als die frühesten Storm-Briefe hier zum ersten Mal gedruckt werden.

Karl Ernst Laage beschreibt in einem Vortrag, den er anlässlich des Gründungsjubiläums der Stadt Husum im Jahre 2003 gehalten hat, das zwiespältige Verhältnis Storms zu seiner Vaterstadt. Als Schüler in Lübeck und danach als Student in Kiel und Berlin hatte sich Storm von seiner Heimat gelöst und ist wohl auch nicht ganz ungern 1852/53 ins Exil nach Preußen gegangen. Aber erst aus der Distanz wurde ihm die emotionale Bedeutung seiner Heimat bewusst. In seiner zweiten Lebensphase in Husum nach 1864 hat er sich dann mit den kleinstädtischen und provinziellen Verhältnissen arrangiert und diesen Teil seiner Lebenserfahrung für sein poetisches Werk genutzt, ohne in „Provinzialsimpelei“ (Thomas Mann) zu verfallen. So war auch die zweite Trennung von Husum im Jahre 1880, als Storm mit seiner Familie nach Hademarschen übersiedelte, mit dem Gefühl einer Neuorientierung verbunden. Husum und die Landschaft Nordfrieslands aber blieben Folie für viele seiner bedeutenden Beiträge zur Weltliteratur.

Wir schließen drei Beiträge an, die von unterschiedlichen methodischen Ansätzen ausgehen und jeweils einer Novelle Storms gewidmet sind. Wie bereits in mehreren Aufsätzen der letzten Jahre werden auch hier intertextuelle Bezüge deutlich, die zeigen, wie Storms Erzählungen nur aus dem Kontext der nationalen und europäischen Literaturtradition des 19. Jahrhunderts verstanden werden können.

Annette Nathanielsz erweitert in ihrer Interpretation der Novelle „Auf der Universität“ den bereits vor einigen Jahren durch Malte Stein vorgetragenen psychoanalytischen Ansatz um einen weiteren Aspekt und deutet die Darstellung der Hauptfigur Lenore und ihr Scheitern unter dem Gesichtspunkt der Hysterie. Die Verfasserin vergleicht Storms Novelle mit Flauberts Roman „Madame Bovary“, den sie als einen unterschwellig agierenden Subtext innerhalb der Erzählung begreift. Storm habe, so die These, Flauberts Stoff in seiner Erzählung nach eigenen dichterischen Kriterien umgestaltet und im Widerspruch ihrer Persönlichkeit den Zwiespalt als Merkmal des modernen Menschen angedeutet.

Achim Küpper sucht nach alternativen Leseplänen in Theodor Storms Novelle „Im Schloß“ und verbindet Fragen der Erzähl- und Erinnerungsproblematik mit Aspekten der Intertextualität. Seine Analyse fördert Motiv- und Handlungsparallelen zu E.T.A. Hoffmanns „Das Majorat“ zutage, zeigt aber auch, dass es Textanalogien zu Storms eigener Novelle „Immensee“ gibt, die sich innerhalb der Erzählfiktion von „Im Schloß“ als problematisch erweisen und die den Verfasser zu einer Neubewertung des Novellenschlusses veranlassen.

Hartmut Pätzold wendet sich der Novelle „Renate“ zu, indem er von Fontanes außerordentlich positivem Urteil „So muß gearbeitet werden“ ausgeht und untersucht, inwieweit dessen Konzept eines historischen Realismus auch in Storms Novelle „Renate“ wiederzufinden ist. Im Vergleich zu Fontanes Romankonzept wird deutlich, wie Storm in der Novelle Aspekte der zeitgenössischen Diskussion über Vererbung und Sozialisation aufgreift. Pätzold erweitert die Lesart der Novelle als Familientragödie um einen erweiterten Erklärungstypus, der das Geschehen in „Renate“ als Überwindung von Vorurteilen beschreibt, die in vielen Generationen angesammelt wurden.

Wir hoffen, dass diese Untersuchungen zu weiteren Diskussionsbeiträgen anregen werden.

Der langjährigen Tradition folgend legt der Sekretär der Gesellschaft Rechenschaft über die Arbeit in Museum und Archiv ab. Unsere Bibliothekarin, Frau Jacobsen, informiert über die Neuanschaffungen des letzten Jahres. Beide Beiträge verzeichnen nur die wichtigsten Tätigkeiten und Neuerwerbungen; nähere Informationen über die Arbeit der Storm-Gesellschaft in Museum und Archiv finden Interessenten in dem jährlich erscheinenden Mitgliedermagazin „Mitteilungen aus dem Storm-Haus“ sowie im Internet unter www.storm-gesellschaft.de

Es schließen sich 12 Buchbesprechungen an, mit denen wir Ihnen auch in diesem Jahr wieder Hinweise auf Editionen, Lesetexte und Forschungserträge vermitteln wollen, die Theodor Storm und seinen Freundes- und Bekanntenkreis betreffen.

Heinrich Detering Gerd Eversberg

(Präsident) (Sekretär)

Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum

Auf Beschluss des Stadtverordnetenkollegiums vergibt die Stadt Husum alle vier Jahre den Theodor-Storm-Preis. Die Preissumme beträgt 8.200 €. Die nächste Preisverleihung findet im Jahre 2006 statt.

Mit dem Theodor-Storm-Preis soll das Werk einer Wissenschaftlerin / eines Wissenschafters, einer zeitgenössischen Dichterin / eines zeitgenössischen Dichters oder einer bildenden Künstlerin / eines bildenden Künstlers ausgezeichnet werden. Der Preis soll derjenigen / demjenigen zuerkannt werden, durch deren / dessen Werk die großen Leistungen Theodor Storms als Künstler, als „poetischer Realist“ im besonderen Maß gewürdigt, besser verstanden und für weitere Kreise aktualisiert werden können.

Die Auszeichnung kann darin bestehen, dass der Ausgezeichneten / dem Ausgezeichneten der Preis verliehen wird, um ein besonderen Vorhaben, das den Juroren als förderwürdig im Sinne der Storm-Forschung erscheint, zu realisieren, ebenso besteht die Möglichkeit der Auszeichnung für ein in sich abgeschlossenes Werk. Die Autorin / der Autor einer wissenschaftlichen Arbeit über ein Werk Theodor Storms erhält den Preis, um ihr / sein in einer Fremdsprache geschriebenes und im Ausland veröffentlichtes Werk bei einem Verlag in Deutschland übersetzen und auflegen zu lassen Eine Bildhauerin / ein Bildhauer erhält den Preis, um ihr / sein Werk einer Plastik zu vollenden und diese Plastik im öffentlichen Raum aufzustellen. Eine Regisseurin / ein Regisseur erhält den Preis für eine besonders gelungene filmische Umsetzung einer Storm-Novelle.

Gefördert werden u. a.: Wissenschaftliche, neue Aspekte aufzeigende Untersuchungen, Druck von Übersetzungen Stormscher Werke in anderen Sprachgebieten, Gedichtzyklen, Novellen und Romane, Essays, Bilder, Bilder-Zyklen, Standbilder, Büsten usw.

Bewerbungen sind zu richten an die Bürgermeisterin der Stadt Husum oder die Storm-Gesellschaft in Husum.

Vorschläge zur Preisverleihung können von jeder Person oder Institution gemacht werden. Eine Jury entscheidet über die Vergaben des Preises. Der Jury gehören an:

1. die Bürgervorsteherin der Stadt Husum

2. der Vorsitzende des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport

3. der Präsident der Theodor-Storm-Gesellschaft

4. der Sekretär der Theodor-Storm-Gesellschaft

5. der Bürgermeister der Stadt Husum

Die Jury tritt im Herbst 2005 zusammen.

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