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Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 53 (2004)herausgegeben von Gerd EversbergInhaltVorwort Dieter Lohmeier Christoph Bernhard Schücking zum Gedenken Dieter Lohmeier Laudatio auf Karl Ernst Laage Karl Ernst Laage Dankesworte Heinrich Detering „Der letzte Lyriker.“ Erlebnis und Gedicht – zum Wandel einer poetologischen Kategorie bei Storm Gerd Eversberg Theodor Storm als Märchensammler Jean Lefebvre Schuld und Scheitern in Theodor Storms Novelle „Eine Halligfahrt“ Karin Tebben Don Juan in der Bürgerstube. Mozarts Oper und ihre Bedeutung in Theodor Storms „Auf dem Staatshof“ Louis Gerrekens Storm liest Kleist – Spiel und Ernst im Umgang mit Angelesenem Sylvain Guarda Storms „Schimmelreiter“ und Schillers „Wallenstein“: Geschichte versus Mythos Elke Jacobsen Storm-Bibliographie Gerd Eversberg Stormforschung und Storm-Gesellschaft
Buchbesprechungen Clifford Albrecht Bernd: Theodor Storm: The Dano-German Poet and Writer. Oxford 2003 (North American Studies in Nineteenth-Century German Literature. Vol. 33) Karl Ernst Laage: Schimmelreiter-Land Storm-Blätter aus Heiligenstadt. Heiligenstadt 1995-2003 Theodor Storm: Renate. Novelle (1878). Texte und Materialien. Hg. von Walter Zimorski. Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Auf der Grundlage der Originalausgabe von 1888 für die Schule bearbeitet von Diethard Lübke in der Reihe „... einfach klassisch“. Cornelsen-Verlag: Berlin 2003. Brigitte Noll: Theodor Storm. Der Schimmelreiter. Unterrichtsvorschläge und Kopiervorschläge zu Buch, Audio Book, CD-ROM. Berlin: Cornelsen Verlag 2001. Joachim Will: Theodor Storm. Der Schimmelreiter. Stuttgart: Ernst Klett Verlag 2001. (Lektüre easy) Reimer Kay Holander: Der Schimmelreiter – Dichtung und Wirklichkeit. Kommentar und Dokumentation zur Novelle „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. Neue, verbesserte und aktualisierte Ausgabe. Bredstedt: Nordfriesisches Institut 2003. Helen Chambers: Theodor Fontanes Erzählwerk im Spiegel der Kritik. 120 Jahre Fontane-Rezeption aus dem Englischen übersetzt von Verena Jung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 2003. Hans Wißkirchen, Walter Meyr, Britta Dittmann, Thomas Manns „ Tonio Kröger“ : Wege einer Annäherung. Verlag Boyens & Co., Heide 2003. Hans-Peter Ecker/Michael Titzmann (Hg.): Realismusstudien. Hartmut Laufhütte zu 65. Geburtstag. Würzburg: Ergon Verlag 2002.
Vorwort Im Februar 2004 erreichte uns die Nachricht vom Tod unseres Ehrenpräsidenten Christoph Bernhard Schücking. Leben und Wirken dieser herausragenden Persönlichkeit, deren kompetente Ratschläge wir sehr vermissen werden, würdigt unser Vizepräsident Dieter Lohmeier. Er hat anlässlich der Storm-Tagung 2003 auch die hier abgedruckte Laudatio auf Karl Ernst Laage gehalten, der nach fast 40 Jahren engagierter Tätigkeit – seit 1966 als Sekretär sowie seit 1991 als Präsident – auf eine Wiederwahl verzichtete und von der Mitgliederversammlung zum Ehrenpräsidenten bestimmt wurde. Repräsentanten der Gesellschaft würdigten Laages Verdienst, die Storm-Forschung maßgeblich beeinflusst und von Husum aus ein modernes Storm-Bild erarbeitet zu haben. Die Mitgliederversammlung wählte der Kieler Literaturwissenschaftler Heinrich Detering zu seinem Nachfolger, der gemeinsam mit dem Sekretär die Arbeit der Gesellschaft in den nächsten Jahren bestimmen wird. Heinrich Detering untersucht in seinem Festvortrag die Entwicklung von Storms poetischer Programmatik und Praxis. Er zeigt, wie Storm trotz seines Festhaltens an einem goethezeitlichen Konzept des Gedichts als der Vergegenwärtigung eines „Erlebnisses“ eine neue, auf den Symbolismus vorausweisende Lyrik entwickelt. Den Grund dafür sieht er in einem grundlegenden Wandel, der sich mit dem Modus des „Erlebens“ vollzieht und der mit den epochalen Erfahrungen einer „transzendentalen Heimatlosigkeit“ des Menschen zu tun hat. Verfolgt wird dieser Prozess zunächst in der Ablösung von romantischen Modellen, die gleichwohl nie ganz aufgegeben werden. Beobachten lässt sie sich schon im „Liederbuch dreier Freunde“ (1843), in Konkurrenz zur epigonalen Dichtung Theodor Mommsens (wie später Emanuel Geibels). Dabei erweist sich das Frühwerk als überraschend eigenständiger Aufbruch in neue lyrische Ausdrucksformen. Die weitere Entwicklung des Lyrikers Storm zeigt dann eine beunruhigende Annäherung an Baudelaires „ennui“. Storm, der sich selbst den „letzten Lyriker“ nannte, vollzieht damit den Übergang in eine neue literarische Epoche. Gerd Eversberg ediert die von Storm gesammelten „volksläufigen“ Märchen und ergänzt damit den Komplex der frühen Schreibversuche des Husumer Advokaten, der sich in den 1840er Jahren mit regionalen Sagen und verwandten Textformen aus der schleswig-holsteinischen Heimat beschäftigt hat. Diese neben den Kunstmärchen Storms bisher von der Forschung weitgehend vernachlässigten Zeugnisse seiner Sammeltätigkeit belegen, dass Storm als junger Mann mit vielen literarischen Gattungen experimentiert hat, um einen eigenen Ton zu finden. Darüber hinaus fand er in dieser Phase seines Lebens Stoffe und Motive, die bis in sein Alterswerk nachgewirkt haben. In seinem Beitrag über Schuld und Scheitern in Theodor Storms Novelle „Eine Halligfahrt“ legt Jean Lefebvre eine Gesamtdeutung dieser bisher wenig beachteten Erzählung vor, in der Storm sich ausführlich mit dem Scheitern der revolutionären 48er-Bewegung auseinandergesetzt hat. Seine Analyse zeigt, wie die Novelle in die Produktion des politisch verantwortungsvollen Schriftstellers eingeordnet werden kann. Im Gegensatz zu den von der Gesellschaft entfremdeten Protagonisten der fiktiven Halligwelt, die uns das Scheitern nicht nur ihrer politischen Träume vorführen, sondern auch ihre Unfähigkeit zur sozialen Bindung, überwindet der Autor ähnliche Resignationserfahrungen durch die erzählende Darstellung eines misslungenen Experiment in der Gestalt der Novelle und kann so seine kulturpessimistische Haltung, sowie seine Lebenskrise überwinden. In drei Beiträgen wird aus unterschiedlichen Perspektiven nach Einflüssen der Werke älterer Autoren auf die Novellistik Theodor Storms gefragt. Karin Tebben beschäftigt sich mit Storms Erfahrung der gesellschaftlichen Realität seiner Zeit und seiner Wahrnehmung der liebes- und sexualfeindlichen Wirklichkeit. Sie zeigt am Beispiel der Novelle „Auf dem Staatshof“, wie es dem Dichter gelingt, dieses Tabuthema trotz der „inneren Zensur“ in einer Erzählung darzustellen und damit seine Wahrnehmungen von Körper und Sexualität mit der seiner Protagonisten zu kontrastieren, die ein durch ein von christlicher Moralvorstellung entfremdetes Verhältnis zur Sexualität geprägt sind. Um das Unsagbare sagbar zu machen, ohne damit gegen die Marktmechanismen seiner Zeit zu anzukämpfen, legt Storm seiner Novelle Szenen aus Mozarts Oper „Don Juan“ als strukturbildende Folie auf. In einem szenischen Vergleich zeigt die Autorin, wie es Storm durch die Adaption und Variation von Szenen aus „Don Juan“ gelingt, seine kritische Position gegenüber seinem Helden zu veranschaulichen, der sich den erotischen Verlockungen verweigert und nicht merkt, dass er damit sein Lebensglück verfehlt. In einem zunächst als Vortrag im Storm-Haus konzipierten Beitrag liefert Louis Gerrekens neue Belege dafür, dass der Husumer Dichter ein Berufsleser war, so dass viele Motive in seinen Novellen nur vor dem Hintergrund ausgedehnter Kenntnisse der literarischen Tradition verstanden werden können. An einigen Beispielen zeigt er, wie sich die Rezeption der Werke Heinrich von Kleist in seinen Texten niedergeschlagen hat, hier vor allem in den Novellen Draußen im Heidedorf“, „Carsten Curator“, „Zur Chronik von Grieshuus“, „Zur ‚Wald- und Wasserfreude‘“ und „Im Brauer-Hause“. Es handelt sich um Spuren einer bewussten Auseinandersetzung mit Kleists Texten nach 1870; der Verfasser wird derartige intertextuelle Bezüge zu einem späteren Zeitpunkt auch für die Novellen „Renate“ und „Aquis Submersus“ vorlegen. Sylvain Guarda untersucht Storms bereits häufig analysierte „Schimmelreiter“-Novelle daraufhin, welche Spuren die Lektüre von Schillers „Wallenstein“-Trilogie hinterlassen hat. Er weist auf einige augenfällige Parallelen zwischen der Gestalt Hauke Haiens und dem Ausnahmemenschen Wallenstein sowie auf die Art der Präsentation beider Hauptakteure hin. Es lassen sich durch Textvergleiche einige Motive finden, die in variierter Form in der jüngeren Dichtung weiterleben. Die Frage nach dem Verhältnis von Mythos und Geschichte enthüllt eine tiefere Verwandtschaft, die von beiden Autoren zwar unterschiedlich beantwortet wird, die aber auch eine gewisse Kontinuität erkennen lässt, wenn Storm seinen Helden Hauke Haien zwar untergehen, seine Ideen aber in Gestalt des Deiches weiterleben lässt. Wie in jedem Jahr berichtet der Sekretär über die Arbeit der Storm-Gesellschaft in Museum und Archiv; diese Angaben werden durch die Storm-Bibliographie von unserer Bibliothekarin Elke Jacobsen ergänzt. Unsere diesjährigen „Schriften“ enthalten elf Buchbesprechungen, mit denen wir auf wichtige Beiträge zur Storm-Forschung hinweisen wollen; zugleich eröffnen unsere Rezensenten weitere Perspektiven auf das literarische Feld des poetischen Realismus sowie auf die Rezeption dieser Epoche bis in unsere Gegenwart, diesmal wieder mit einem Schwerpunkt „Storm in der Schule“.
Heinrich Detering Gerd Eversberg (Präsident) (Sekretär) |
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