|
Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 52, 2003Erscheinungstermin: September 2003Mitglieder der Storm-Gesellschaft erhalten die "Schriften" ebenso wie die "Mitteilungen" kostenlos zugeschickt. Sonstige Bestellungen bitte an das Sekretariat der Gesellschaft. Inhalt
Elke Jacobsen Storm-Bibliographie Vorwort Wir eröffnen die diesjährigen Schriften mit dem Festvortrag, den der Sekretär der Storm-Gesellschaft anlässlich der Jahrestagung im September 2002 gehalten hat. Nach der Übernahme der vollständigen Buchbestände aus dem Nachlass von Storms Tochter Gertrud befindet sich nun der Großteil der erhaltenen Buchbestände des Dichters im Husumer Storm-Archiv. Die große Bedeutung der mehr als 1500 Originalbände wurde erst durch ihre bibliographische Aufnahme und die damit verbundene systematische Erforschung erkennbar, spiegelt sich doch in dieser Bibliothek der gesamte Bildungskontext des Dichters, der ihn und sein literarisches Werk in viel höherem Maße geprägt hat, als es vorher bekannt war. Um diese Zusammenhänge der Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde im Jahre 2001 eine Ausstellung mit dem Titel“ Theodor Storms Bibliothek“ konzipiert und im Frühjahr 2002 im Storm-Haus eröffnet. Ein Katalog bzw. eine geplante annotierte Bibliographie der Bibliothek Theodor Storms kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgelegt werden, da sich noch mehrere hundert Originalbände in Privatbesitz befinden und da für ein solch umfangreiches Forschungsprojekt die personelle Ausstattung des Storm-Archivs nicht ausreicht. Der hierin erweiterter Fassung abgedruckte Vortrag versucht, einerseits die Geschichte der Bibliothek Storms nachzuzeichnen, andererseits ihren Umfang und Gehalt zu beschreiben. Dabei wird deutlich, dass die Bücherbestände vollständig den Bildungskanon repräsentieren, der für einen engagierten Schriftsteller des Bildungsbürgertums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbindlich war. Eindringlich wird erkennbar, wie für den Autor Theodor Storm Lese- und Schreibprozesse von Anfang an eine unauflösbare Einheit gebildet haben. Jedes Werk Storms muss daher künftig noch stärker als bisher schon in seinem historisch vermittelten Kontext gesehen werden. Karl Ernst Laage hat anlässlich eines Festaktes zum 30. Jahrestag der Eröffnung des Husumer Storm-Hauses die Entwicklung von Museum und Archiv Revuepassieren lassen und dabei nicht nur auf die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten des Anfangs hingewiesen, sondern auch auf den allmählichen Ausbau der Ausstellungen und die Erweiterung der Sammlungen verweisen können. Heute stehen Museum und Archiv als Erfolgsmodelle im Mittelpunkt des Besucherinteresses der Stadt Husum und sind zu einer bedeutenden wissenschaftlichen Einrichtung an der schleswig-holsteinischen Westküste geworden. Das allmählichgewachsene Konzept des Museums wird von Besuchern wie Fachleuten aus aller Welt als eine gelungene Möglichkeit der musealen Präsentation von Literatur angesehen. Anlässlich der letzten Storm- Tagung wurde zum zweiten Mal der Storm-Preis der Stadt Husum vergeben. Unser Sekretär hielt die Laudatio auf die Preisträger Gisela Mott-Dreizler und Reinhard Scheuble, denen der Preis aufgrund eines Pressendruckes von Storms Novelle „Pole Poppenspäler“ von der Jury zugesprochen wurde. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stehen die Preisträger und ihre Arbeit, die sie ganz in der Nähe von Husum in der „Quetsche“ verwirklichen, einer der wenigen Handdruckpressen, die es in der Bundesrepublik Deutschland noch gibt. Anlässlich einer Matinee zur Storm- Tagung übergab Frau Dr. Lehnen vom Erich Schmidt Verlag die beiden neuen Bände aus der Reihe der Briefeditionen der Storm-Gesellschaft der Öffentlichkeit. Es handelt sich um den 12. Briefwechsel, der auf Anregung unserer Gesellschaft neu ediert und durch bedeutende Zuschüsse veröffentlicht werden konnte. Regina Fasold, die in enger Zusammenarbeit mit dem Storm-Archiv den Briefwechsel herausgegeben hat, erläuterte in ihren „Anmerkungen zum Briefwechsel Theodor Storm -Constanze Esmarch“ zunächst die Schwierigkeiten, mit denen sich die Editorin bei der Transkription und Datierung der Handschriften konfrontiert sah, und zeigte anschließend, welche Bedeutung die erstmals vollständig vorgelegte Edition für die Storm-Forschung haben wird. Helga Bleckwenn hat anlässlich der Storm-Akademie 2000 im Husumer Storm-Haus einen Vortrag gehalten, in dem sie Storms Novelle „Aquis submersus“ mit Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ verglich; die von ihr erstmals herausgearbeiteten intertextuellen Bezüge beider Dichtungen bieten neue Deutungsmöglichkeiten und erschließen überraschende Perspektiven für einneues Verständnis der Storm-Novelle. Christian Neumann analysiert Storms Novelle „Ein Doppelgänger“, die in den bisherigen Interpretationen entweder als Ausdruck Stormscher Sozialkritik oder als die „Darstellung der Abhängigkeit des Menschen von dunklen Schicksalsmächten“ gelesen wurde. Im Gegensatz zu dieser Deutungstradition favorisierter eine Lektüremöglichkeit, die davon ausgeht, dass beide Bedeutungsebenen für den Sinn des Textes konstituierend sind. Die Novelle wird sowohl soziologischinterpretiert als auch – und das ist ein neuer Ansatz – unter psychoanalytischen Aspekten befragt. In einem dritten Schritt versucht der Verfasser, die Möglichkeit einer Synthese beider Lektüreweisen zu begründen. Dafür erweitert Neumann den Begriff des Kunstwerks im Anschluss an poststrukturalistische Ansätze und fasst ihn nun als „disparates Bündel vielfältiger interner und externer Relationen“. So kommt er zu dem Schluss, dass sich beide Lektüreweisen als Teil eines unabschließbaren Prozesses begreifen lassen, der dem Leser neue Einsichten in die dargestellte Wirklichkeit vermitteln könne. Peter Goldammmer hat sich mit der Persönlichkeit des Husumer Landrats Ludwig Graf zu Reventlow beschäftigt und versucht, die Frage zu beantworten, wieso zwischen diesem kantigen Mann und dem sensiblen Poeten Theodor Storm eine lebenslange Freundschaft bestehen konnte. Er beantwortet diese Frage vor dem Hintergrund vielfältiger zeitgenössischer Quellen und Dokumente mit dem aus eigenen Erfahrungen erwachsenen antipreußischen Ressentiment, das die beiden in ihren Hoffnungen enttäuschten Schleswig-Holsteiner bestimmt hat. Unser Präsident hat einem Besuch Theodor Storms in Gotha nachgespürt und die Ergebnisse seiner Recherchen mit bisher ungedruckten Briefen verknüpft. Im Mai 1886 machte der Dichter auf seiner Rückreise von Weimar bei der Familie Jacobs Station, die in Verbindung mit der Familie seines Bruders Johannes Storm in Hademarschen stand. Dadurch kam er mit dem Rechtsanwalt Friedrich August Emil Jacobs (1841-1895) in persönlichen Kontakt. Wie in anderen bürgerlichen Häusern wurde Storm auch in diesem „geistvollen“ Kreis herzlich aufgenommen. Die erhaltenen Briefe zeigen erneut, dass Storm solche Kontakte wichtig waren. Der russische Forscher E. A. Prjanischnikov stellt das Gedicht „Gedanke“ von Michail Jurjevitsch Lermontov (1814-1841) einem Storm-Text mit der Überschrift „Der Zweifel“ gegenüber und weist auf Unterschiede, aber auch auf Gemeinsamkeiten der voneinander unabhängigen Texte hin, die in unterschiedlichen Kulturen, allerdings in zeitlicher Nähe entstanden sind. Den interessanten Kulturvergleich hat Hans-Jürgen Doose aus Husum freundlicherweise ins Deutsche übersetzt. Es schließen sich – wie in jedem Jahr – der Bericht des Sekretärs über „Storm-Forschung und Storm-Gesellschaft“ sowie die Storm-Bibliographie an, die unsere Bibliothekarin, Elke Jacobsen, zusammengestellt hat. Am Schluss der diesjährigen „Schriften“ informieren wir unsere Leser wieder über Neuerscheinungen nicht nur zu Theodor Storm, sondern – und das hat bereits Tradition – auch über andere Dichter des Poetischen Realismus. Karl Ernst Laage Gerd Eversberg Präsident Sekretär
Buchbesprechungen Karl Ernst Laage: Unterwegs mit Theodor Storm. Ein literarischer Reiseführer. Westholsteinische Verlagsansta,1t Boyens &. Co, Heide 2002. (Brian Coghlan) Volker Griese: Theodor Storm. Chronik seines Lebens. Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft 2002. (Gerd Eversberg) Theodor Storm – Constanze Esmarch. Briefwechsel. Kritische Ausgabe. Herausgegeben von Regina Fasold. 2 Bde. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2002. (Storm-Briefwechsel 15) (Walter Hettche) Christian Neumann: Zwischen Paradies und ödem Ort. Unbewusste Bedeutungsstrukturen in Theodor Storms novellistischem Spätwerk. Würzburg: Königshausen &. Neumann 2002 (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften, Bd. 385) (Regina Fasold) Theodor Storm. Pole Poppenspäler. Unterrichtsmodell, erarbeitet von Jean Lefebvre. Paderborn: Schöningh Verlag 2002. (Einfach Deutsch) (Gerd Eversberg) Renate Bürner-Kotzam: Vertraute Gäste -Befremdende Begegnungen in Texten des bürgerlichen Realismus. Heidelberg: C. Winter 2001. (Probleme der Dichtung Bd. 30.) (Christian Neumann). Theodor und Martha Fontane. Ein Familienbriefnetz. Hg. von Regina Dieterle. In: Schriften der Theodor Fontane Gesellschaft, hg. von Luise Berg-Ehlers u. a., Bd. 4. Berlin/New York: Walter de Gruyter 2002. (Manfred Horlitz) Gabriele Radecke: Vom Schreiben zum Erzählen. Eine textgenetische Studie zu Theodor Fontanes „L'Adultera“. Würzburg: Königshausen &. Neumann 2002. (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften, Bd.358.) (Manfred Horlitz) Roland Berbig/Walter Hettche (Hg.): Paul Heyse. Ein Schriftsteller zwischen Deutschland und Italien. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag 2001. (Literatur- Sprache -Region, Bd. 4.) (Peter Goldammer) Bettina Plett: Problematische Naturen? Held und Heroismus im realistischen Erzählen. Paderborn: Schöningh 2002. (Martin Lowsky) |
Nach oben |
© 2024 Theodor-Storm-Gesellschaft | Impressum