Ausstellungen
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Theodor Storms „Schimmelreiter".
Eine neue Ausstellung im Storm-Haus
Seit dem 1. April 2009 ist im Theodor-Storm-Zentrum eine neue Ausstellung eröffnet. Gezeigt werden Exponate zur Entstehung und Bedeutung der „Schimmelreiter"-Novelle, darunter eine Entwurfshandschrift Theodor Storms. Die Ausstellung nutzt moderne visuelle und akustische Medien zur Präsentation neuer Ergebnisse der Storm-Forschung.
Der Deichgraf Hauke Haien, sein neues Deichprofil und sein Scheitern werden seit dem Erscheinen von Storms Novelle „Der Schimmelreiter" (1888) bis heute glorifiziert. Der Charakter, den man seit mehr als einhundert Jahren auf ihn projiziert, schillert zwischen dem Bild einer charismatischen Führergestalt und eines faustischen Übermenschen, zwischen genialem Schöpfertum und tragischem Scheitern. Er verkörpert für viele den Widerstand der Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins gegen die ständigen Angriffe der Nordsee.
Das Bild, das man in Nordfriesland von Hauke Haien entworfen hat, gleicht eher der Legende eines friesischen Helden als der Imagination einer literarischen Gestalt. Er verkörpert für viele den Widerstand der Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins gegen die ständigen Angriffe der Nordsee. Der Siedlungsraum zwischen Geest und Meer muss dem Meer abgerungen werden und ist seit dem späten Mittelalter ständig umkämpft.
Das Bild von Hauke Haien hat sich von seinem literarischen Vorbild längst gelöst und ist zur kollektiven Vorstellung einer Kulturgemeinschaft geworden, die in ihm eine regionale Sagen-gestalt erkennen will.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts las man Storms Novelle als „Nationalepos der Nordfriesen" und sah in Hauke Haien die Verkörperung aller Tugenden, die man einem „nordischen" Menschenschlag zuordnete, mit dem sich viele Zeitgenossen identifizieren wollten.
Viele Stormverehrer und Heimatforscher glaubten, bei der Geschichte von Hauke Haien handele es sich um eine alte nordfriesische Sage, die von Storm literarisch umgestaltet worden sei. Der Husumer Dichter wurde von der Heimatkunstbewegung zum „Heimatdichter" vereinnahmt.
Den Höhepunkt dieser nationalistisch und völkisch gefärbten Storm-Rezeption bildet die erste Verfilmung aus den Jahren 1933/34, die bereits vor der nationalsozialistischen Machtübernahme Hauke Haien in eine Führernatur umdichtete und damit ein bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts funktionierendes Identifikationsmuster schuf. Es folgten zwei weitere Filme, ein kommerzieller von 1968 und ein ebenfalls ideologisch geprägtes Werk, das 1989 in der DDR von der DEFA in Zusammenarbeit mit dem polnischen Fernsehen produziert wurde. In der Bundesrepublik wurde Storms Novelle vielfach für kommerzielle Zwecke instrumentalisiert.
Aber der Novellentext fand auch weiterhin eine breite Leserschaft. Seit den 1950er Jahren wurde „Der Schimmelreiter" zu einer wichtigen Lektüre an deutschen Schulen, und auch im Ausland wird Storm als bedeutender Autor des poetischen Realismus viel gelesen.
Von Literaturwissenschaftlern wurde in vielen Untersuchungen bestätigt, dass Storms Altersnovelle heute als fester Bestandteil der Weltliteratur gilt.
1838 erschien in der Zeitschrift „Danziger Dampfboot" die Erzählung von einem Deichgeschworenen, der sich bei gefährlichem Eisgang in einen Dammbruch an der Weichsel gestürzt hat und der seitdem als gespenstiger Reiter vor drohenden Gefahren warnt.
Der damals einundzwanzigjährige Theodor Storm studierte zu dieser Zeit Jura an der Universität Kiel und las die Erzählung als Nachdruck in „Pappes Hamburger Lesefrüchten".
Während des Schreibprozesses, in dem der „Deichspuk" in „eine würdige Novelle" verwandelt wurde, konnte er sich noch genau an die viereinhalb Jahrzehnte zurückliegende Lektüre erinnern. Nur die alte Zeitschrift fand er nicht wieder. Dennoch entspricht die Rahmenerzählung seiner Novelle in vielen Einzelheiten der Danziger Gespenstergeschichte.
Storm war schon früh mit Fragen des Deichbaus und der Verwaltung von Kögen vertraut, da sein Vater Deichbandcommitirter war und die Südermarsch verwaltete, einen Koog südwest-lich von Husum. Als Rechtsanwalt nahm er in Vertretung seines Vaters selber juristische Deichangelegenheiten wahr.
Nachdem er sich zu Beginn des Jahres 1885 entschlossen hatte, aus der Gespenstergeschichte vom Schimmelreiter eine Novelle zu machen, in der er die Geschichte des Deichbaus an der Westküste Schleswig-Holsteins darstellen wollte, vertiefte er sich in ein gründliches Quellenstudium und suchte bei Fachleuten Rat.
Storm benutze mehr als 40 Quelltexten, darunter regionale Chroniken, Texte zum Deichrecht und zur Technik des Deichbaus, Landesbeschreibungen sowie volkskundliche und literarische Werke.
Die Sturmfluten und der dramatische Kampf der Marschbauern um den Erhalt ihrer Köge vom späten 15. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts bilden den Zeithintergrund der Novelle.
Die Handlungsorte: den neuen Hattstedter Koog, den Deichgrafenhof, das Geestdorf mit seiner Kirche und dem Friedhof, das Gasthaus am Deich hat Storm bis ins Detail der Wirklichkeit nachgebildet, aber zugleich nach erzähllogischen Notwendigkeiten neu zusammengefügt.
Storm inszenierte die Novellenhandlung in erfundenen Räumen, in denen er Personen handeln lässt, deren Vorbilder aus der Geschichte Nordfrieslands stammen.
Die Landschaftsbilder in Storms Erzählung haben die Vorstellungen vom Land zwischen Geest und Nordseeküste vieler Generationen seiner Leser nachhaltig geprägt.
Storm gestaltete seine Hauptfigur, den Bauernsohn und späteren Deichgrafen Hauke Haien, nach dem Vorbild einer Reihe von tatkräftigen Männern, von deren Vorzügen er gelesen hat oder denen er persönlich begegnet ist. Unter den historischen Persönlichkeiten ragt Hans Momsen aus Fahretoft (1735-1811) hervor, ein Autodidakt, der als Mathematiker, Astronom und Landvermesser hervorgetreten ist und der nördlich von Husum Deichbauarbeiten geleitet hat. Von Momsen hat er ebenso Charakterzüge auf Hauke Haien übertragen wie von dem Deichgrafen Johann Iwersen Schmidt von Lundenberg (1798-1875) und dem Amtshöftmann Jens Thoms Jensen von Ellerbüll (1798-1846), deren Bauerngehöfte auf Warften in der Hatt-stedtermarsch lagen. Nach diesen Vorbildern entwarf er den Deichgrafenhof.
Die Niederschrift der Novelle erfolgte seit Juli 1886. Storms schwere Magenkrankheit be-stimmte ihn, gegen den drohenden Tod anzuschreiben; im Herbst 1887 begann er mit der Reinschrift und konnte die Novelle Ende Januar fertig stellen. Am 9. Februar 1888 schickte er das Manuskript an den Verlag.
„Der Schimmelreiter" erschien im April und Mai 1888 in zwei Teilen in der „Deutschen Rundschau". Bereits Mitte Mai las der Dichter die Korrekturen der Buchausgabe und fügte zum besseren Verständnis Worterklärungen „für binnenländische Leser" hinzu. Anfang Juni unterschrieb er den Verlagsvertrag für die Buchausgabe, die im Herbst 1888 ausgeliefert wur-de. Theodor Storm starb am 4. Juli 1888 in Hademarschen.
Die Handschrift redet
Im Jahre 1998 konnte die Theodor-Storm-Gesellschaft eine bis dahin unbekannte Entwurfs-handschrift erwerben, durch die der Arbeits- und Schreibprozess Storms genau dokumentiert ist. Sie besteht aus 140 Seiten und umfasst ca. 90% der Novellenhandlung, wie sie in der Reinschrift überliefert ist, die Storm Anfang Februar 1888 an seinen Berliner Verleger schickte und die die Grundlage des Zeitschriftendrucks und der Buchausgabe darstellt.
Storm arbeitet an diesem als „Concept" bezeichneten Manuskript von Anfang Mai 1886 bis Ende Januar 1888. Nach der Fertigstellung des ersten Teils der Novelle begann er bereits im Herbst 1887 mit der Herstellung einer Reinschrift und arbeitete parallel dazu weiter an seinem „Concept". Nach Abschluss der Reinschrift und während der Korrekturarbeiten diente ihm dieses Manuskript als Grundlage für weitere Veränderungen am Novellentext.
Die Analyse dieser Entwurfshandschrift erlaubt vielfältige Einblicke in die Werkstatt Storms und ermöglicht eine genaue Rekonstruktion der sich über dreieinhalbe Jahre erstreckenden Planungs- und Schreibprozesse.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Die Ausstellung wurde ermöglicht durch Zuwendungen der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften, der Nord-Ostsee-Sparkasse sowie durch Spenden von Mitgliedern der Theodor-Storm-Gesellschaft.
Dr. Gerd Eversberg
Leben und Werk
Storm-Haus in Husum durch neue Dauerausstellung erweitert!
Damit wird erstmals neben den Wohnräumen des Dichterhauses, die mit den originalen Möbeln der Storm-Familie ausgestattet sind, eine systematische Ausstellung mit Objekten präsentiert, die das Storm-Archiv in den letzten 50 Jahren zusammengetragen hat und die der Öffentlichkeit bisher nicht gezeigt werden konnten, z.B. das kürzlich erworbene silberne Tintenfass, das der Dichter bei der Abfassung der ,,Schimmelreiter"-Novelle benutzt hat.
Die Lebensabschnitte Storms (1817 - 1888) werden mit Hilfe von Dokumenten, Bildern, Handschriften, Büchern sowie Gebrauchsgegenständen erläutert, so dass ein facettenreiches Bild des Familienlebens, der Berufstätigkeit und des literarischen Schaffens des Dichters entsteht. In acht Vitrinen, auf mehreren Tafeln und in einigen Originalschränken sollen diese Schätze aus dem Storm-Archiv dem Museumsbesucher von jetzt an ständig präsent sein.
Die Erweiterung des Museums gehört zu den Auflagen des Landes Schleswig-Holsteins, das den Erwerb der neuen Räume für das Storm-Archiv finanziell unterstützt hat.
An den Aufwendungen für Renovierung und Ausstattung der neuen Ausstellungsräume beteiligten sich die Stadt Husum, das Museumsamt des Landes Schleswig-Holsteins und die Storm-Gesellschaft.
Zur Konzeption der neuen Ausstellung "Theodor Storm - Leben und Werk"
Als wir an die Konzeption der neuen Ausstellung gingen, war eins von vornherein klar: die neue Präsentation sollte nur aus Objekten zusammengestellt werden, die wir in den letzten Jahrzehnten im Storm-Haus zusammengetragen haben. Wir wollten also nicht - wie wir das in den letzten Jahren bei unseren Ausstellungen immer getan haben - auf Dokumente zurückgreifen, die im Storm-Nachlass der Landesbibliothek Kiel oder von anderen Bibliotheken bzw. Archiven aufbewahrt werden.
Dieses Konzept hört sich zunächst gut an, haben wir doch neben einem mit Möbeln, Bildern und anderen Gegenständen wohl gefülltes Museum auch ein bedeutendes Literaturarchiv mit einigen hundert Originalhandschriften des Dichters, darunter Gedicht- und Novellenhandschriften und viele Briefe, und verfügen wir nicht auch über ca. 1500 Bücher aus Storms Besitz? Der Realisierung unserer Vorstellungen schien also nichts im Wege zu stehen, auch deshalb nicht, weil wir auch auf das Bildarchiv zurückgreifen konnten, in dem mehrere tausend Fotografien gespeichert sind.
Auf den zweiten Blick allerdings erwies sich die Angelegenheit schon als schwieriger. Schließlich konnten und wollten wir nicht die Räume des Museums plündern, um Objekte für die beiden Ausstellungsräume zu gewinnen! Und die Archivalien? Es gibt abschreckende Beispiele in solchen Literaturausstellungen, in denen wertvolle Handschriften zu Papierbahnen aneinandergereiht werden, die in ihrer Monotonie den Betrachter bereits nach dem zehnten außerordentlich bedeutsamen Manuskript langweilen. Wen interessieren schon fünfzig oder einhundert aufgeschlagene Bücher und Zeitschriftenbände? Und die Fotos? Wie viel Originale aus der Storm-Zeit besitzt das Archiv eigentlich? Aus der Arbeit an der Ausstellung "Storm-Portraits" weiß ich, dass die erste fotografischen Abbildung Storms aus dem Jahre 1852 stammt, da war der Dichter bereits 35 Jahre alt. Wie soll man dann seine Jugend und Studienzeit veranschaulichen, wenn man noch nicht einmal ein Porträt von Storms Vater besitzt?
Wenn wir also die ganze Ausstellung mit Hilfe eigener Objekte gestalten wollten, so musste erst überprüft werden, ob uns das bei der Konzeption eines Gesamtüberblicks gelingen würde, der alle Lebensabschnitte Storms umfassen sollte, der also von 1817-1887 reichen musste. Er sollte mit Herkunft, Kindheit und Jugend in Husum bis 1835 beginnen und mit dem letzten Lebensabschnitt in Hademarschen (1880-1888) enden und alle wichtigen Stationen von Storms Leben sowie seiner dichterischer Entwicklung zeigen.
Nun kam erschwerend für unsere Absichten hinzu, dass aus der zweiten Lebenshälfte Storms weit mehr Dokumente erhalten sind als aus der ersten. Dieses Phänomen erklärt sich leicht daraus, dass Storm nach 1853 ein bekannter Schriftsteller wurde, der nicht nur persönlich darauf achtete, dass die Produkte seiner schriftstellerischen Tätigkeit (Handschriften genau so wie Zeitschriftenabdrucke und Bücher) aufbewahrt wurden, sondern dessen zunehmende Berühmtheit viele Zeitgenossen dazu veranlasste, ihrerseits Storm-Dokumente zu sammeln, in aller erster Linie Familienmitglieder aber auch Freunde und Storm-Liebhaber.
Mit den acht Lebensabschnitten, die wir acht Vitrinen zuordneten, hatten wir einen Rahmen vorgegeben, den es auszufüllen galt. Und tatsächlich ist es uns gelungen, mit wenigen Ausnahmen, alles, was in der Ausstellung zu sehen ist, aus unseren eigenen Beständen zu nehmen. Dreimal haben wir auf Leihgaben von Husumer Institutionen zurückgreifen können, einmal zitieren wir durch ein fotografisches Dokument eine Handschrift aus dem Storm-Nachlass in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel und einmal aus dem Kirchenbuch der Mariengemeinde in Husum. Bei den Leihgaben handelt es sich um zwei Bücher aus der Bibliothek der Hermann-Tast-Schule und einer Originalgrafik von Husum, das uns die Familie Eggers ausgeliehen hat. Dafür vielen Dank.
Alle anderen Objekte stammen aus den Beständen von Museum und Archiv des Storm-Hauses.
Wir zeigen in den acht Vitrinen ca. 120 Objekte, denen wir etwa 30 Bilder in Rahmen und auf Tafeln zuordnen, so dass die gesamte Ausstellung nicht mehr als 150 Gegenstände umfasst. Hinzu kommen zwei Schränke aus der Storm-Zeit, mit deren Hilfe wir versuchen, die nüchterne Atmosphäre der modern gestalteten Ausstellungsräume an das übrige Haus mit der biedermeierlichen Einrichtung anzugleichen. Der erste ist ein Schreibsekretär aus der Storm-Familie, den wir thematische Storms Verhältnis zu Bertha von Buchan zugeordnet haben. Außerdem präsentieren wir in einem großen Bücherschrank eine Fülle von Übersetzungen Stormscher Werke in viele Sprachen.
Nun zu den ausgewählten Objekten. Wir versuchen, Handschrift, Buch, Bild und sonstige Objekte in einer ausgewogenen Mischung zu zeigen. Bei Büchern und Handschriften macht das fast keine Mühe, da wir ja über einen genügenden Fundus hochkarätiger Stormiana verfügen. Aber dennoch ergaben sich bei den Handschriften einige Probleme. Nicht immer kann es verantwortet werden, dass eine umfangreiche Originalhandschrift wegen einer aufgeschlagenen Seite für Jahre oder Jahrzehnte in einer Vitrine präsentiert wird. Auch sprechen generelle konservatorische Gründe dagegen, Papier lange Zeit dem intensiven Licht auszusetzen. Und obwohl wir Vitrinen angeschafft haben, deren Gläser UV-Strahlen aus dem Sonnenlicht heraus filtern, werden wir genau beobachten müssen, ob unsere Originalhandschriften nicht eines Tages durch Faksimiles ersetzt werden müssen. In einigen Fällen musste dieser Weg bereits jetzt gewählt werden, da der Erhaltungszustand mancher alter Papiere eine Dauerpräsentation außerhalb des Tresors nicht zulässt. Auch dürfen Objekte wie etwa das berühmte "Album für Constanze" für Ausstellungszwecke nicht zerstört werden, so dass die Präsentation eines oder zweier Originalblätter daraus die Ausnahme bleiben muss.
Was steht aber neben Büchern und Handschriften noch zur Verfügung? Da sind zunächst Abbildungen von Orten, an denen Storm und später seine Familie sich aufgehalten haben. Man kann sie durch zeitgenössische grafische Blätter veranschaulichen, was wir in unserer Ausstellung auch getan haben. Von manche Gebäuden haben sich Fotografien aus der Storm-Zeit erhalten, von anderen mussten wir auf Abbildungen zurückgreifen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen. In beiden Fällen betrachten wir diese Art von Abbildungen als Dokumente, für die wir den Ansprüchen unserer Ausstellung angemessene Reproduktionen auf fototechnischem Wege haben herstellen lassen. Sie sind auch als solche erkennbar. Das gilt auch für ältere Zeichnungen von bedeutenden Storm-Stätten.
Manchmal zwingen uns auch die Verhältnisse, Objekte nur als fotografische Dokumente in die Ausstellung aufzunehmen, dann nämlich, wenn wir über das Original nicht verfügen können, es aber dennoch für so bedeutsam halten, dass wir auf eine Abbildung nicht verzichten wollten. Ich nenne als Beispiele das Bonnixsche Epitaph aus der Drelsdorfer Kirche und den Stein mit dem plattdeutschen Vergänglichkeitsspruch Ecke Markt/Krämerstraße, beides unverzichtbare Dokumente im Zusammenhang mit der Novelle "Aquis submersus".
Bei Zeichnungen, Schattenrissen und Fotografien aus der Storm-Familie haben wir uns um größtmögliche Authentizität der ausgestellten Objekte bemüht. Aber auch hier gibt es Grenzen, die von der Überlieferung diktiert werden.
So verfügen wir bei den künstlerischen Porträts Theodor Storms und seiner Familie nur in wenigen Fällen über die Originale; die meisten befinden sich auch heute noch im Besitz der weitverzweigten Storm-Familie. Wir zeigen zum Beispiel eine Reproduktion der berühmten Zeichnung, die Ludwig Pietsch 1861 von Constanze herstellte.
Aber selbst dann, wenn wir alte Originalfotos haben, handelt es sich oft um Abzüge von Negativen, deren Herstellung entweder noch zur Storms Lebzeiten oder Jahre bzw. Jahrzehnte nach seinem Tode durch Familienmitglieder veranlasst wurde. Oft existieren die Originale nicht mehr und es fällt uns schwer, solche Fotos zu datieren. In diesem Fall haben wir den Begriff "Original" großzügiger auszulegen als bei einer Handschrift des Dichters. Konkret bedeutet das für die Ausstellung: Wir haben immer dann, wenn es sich aus optischen Gründen vertreten lässt, das älteste der erhaltenen fotografischen Dokumente ausgestellt; in einigen Fällen mussten neue fotografische Reproduktionen hergestellt werden, die wir den Originalen angeglichen haben.
Und schließlich zeigt die Ausstellung noch sonstige Objekte, deren Existenz wir Zufällen verdanken. Dr. Laage hat unter anderem bereits das silberne Tintenfass erwähnt, das Storm bei der Niederschrift des "Schimmelreiter" verwendete. Wir haben uns bemüht, auch solche Objekte in die Ausstellung einzubauen, die nicht direkt mit dem Schreibprozess des Dichters zu tun haben, wenn sie uns den einen oder anderen Aspekt der Zeit veranschaulichen helfen. So sehen Sie zum Beispiel einen Bierkrug, aus dem nicht etwa Storm getrunken hat, sondern dessen gemalter Porzellandeckel die Ansicht des Schützenhofes zeigt und zwar in dem Jahr des Erscheinens der Novelle "Pole Poppenspäler", 1874.
All diese Objekte galt es nun in möglichst harmonischer Mischung ansprechend zu präsentieren und angemessen zu erläutern. Wir sind der Vorgabe unserer Raumgestaltung gefolgt und versuchen, die Präsentation nüchtern zu halten; der Text tritt zurück und wurde auf das Notwendigste reduziert; je eine Tafel pro Vitrine informiert knapp über die gezeigten Objekte; nur gelegentlich weisen selbständige Texttäfelchen auf Zusammenhänge hin, die sich von den Objekten selber ohne Hinweise nicht herleiten lassen.
Schließlich haben wir versucht, das gesamte historische Porträtmaterial in zeitgenössischen Bilderrahmen zu präsentieren. Dadurch erhält die Ausstellung eine stärkere historische Färbung.
Das Ziel unsrer Bemühungen war, den Besuchern auch in diesen Räumen in atmosphärischer Dichte Zusammenhänge nahe zu bringen, die sich zwischen den Lebensdaten Theodor Storms und seinem literarischen Werk erkennbar machen lassen.