Dokument vom:
18.09.2008
Eine Halligfahrt - Unterrichtsgestaltung

Vorschlag für eine Unterrichtsreihe zu „Eine Halligfahrt“

Dr. J. Lefebvre, NGB – Büsum – Mai 2004

 

Diese relativ kurze Novelle Storms bietet die Möglichkeit einer literarischen Textarbeit mit den Vorteilen des Computers. Im Novellentext sind die Wörter blau markiert, bei denen landeskundliches und literarisches Hintergrundwissen geliefert werden. Diese Informationen, die für das Verständnis des Textes zum Teil unerlässlich sind, werden zu oft vernachlässigt, weil das Heranziehen von Büchern und das Umblättern als lästig empfunden werden. Das bequeme Anklicken spart die Energie, die man für das sinnentnehmende Lesen benötigt, und beugt somit ein demotivierendes und zeitaufwendiges Suchen in der Schulbibliothek vor. Das Eröffnen eines verlinkten Fensters macht fächerübergreifendes Unterrichten zur Sache des Schülers, der alle Informationen, auf die Storm manchmal verschlüsselt anspielt, unmittelbar geliefert bekommt.

Die vielfältigen Bilder und Texte aus dem Bereich der Flora und Fauna, aber auch aus dem Bereich der Geschichte und Erdkunde ermöglichen eine unmittelbare Identifikation mit dem kulturellen Umfeld der Fahrt, die die drei Fahrgäste auf dem Weg zum Vetter und auf seiner Hallig erleben. Gerade für den Leser, dem die Meeresküste nicht besonders vertraut ist, erweisen sich diese Informationen als hilfreich, will man sich diese Halligfahrt als konkrete Reise vorstellen. Gerade für eine Bewertung des Storm’schen Realismus, der die Ambiente seiner Region zum Ausgangspunkt macht, um sie zum Mittelpunkt seiner literarischen Arbeit zu machen, gehören diese Kenntnisse zur Auseinandersetzung mit dem Werk.

Auch die literaturwissenschaftliche Ebene lässt sich durch den Computer bequemer einbeziehen: An den passenden Stellen erscheinen die Absätze, die Storm hingefügt bzw. gestrichen hat. Nicht zuletzt auf die unverzichtbare Verwendung der Suchtaste ist hinzuweisen, denn sie erlaubt ein müheloses und rapides Orientieren im Text. Textstellen wieder finden, sie miteinander vergleichen und den Erlebensprozess der Liebesgeschichte in ihrem kulturellen Kontext zu bewerten, gehören zur Interpretation eines politisch geprägten Werkes, das auch in seiner autobiografischen Bedeutung gelesen werden muss. Storm, der den Tod seiner Frau Constanze im Mai 1865 zur Zeit der Entstehung des Werkes (1870) noch nicht verarbeitet hatte, wollte das Schreiben aufgeben und hatte auch selbst überlegt, ob er sich nicht in sein Haus in der Husumer Wasserreihe wie in 0einen Elfenbeinturm zurückziehen sollte.

Im didaktischen Fragekatalog sind entsprechend zweierlei Fragen und Aufgaben zu finden. Die einen beziehen sich direkt auf den Text und schärfen den Blick für das Textverständnis, die anderen schließen den persönlichen Blick des Lesers ein und erwarten von ihm einen produktionsorientierten Umgang mit der Situation. Hier muss der Schüler seine Sensibilität spielen lassen und einen eigenen (Parallel-)Text verfassen. (Vgl. die didaktischen Forschungsergebnisse von Prof. Spinner)

Folgende Aspekte können ebenfalls schwerpunktmäßig für einen fächerübergreifend angelegten Unterricht in Betracht gezogen werden:

 

1.

Erdkunde

Karte der Nordseeküste
Rungholt, Küstenschutz (Deich, Koog, Knick, etc.)
Halligwelt (Entstehung, Lebensformen (Fething, Sood), Traditionen)

2.

Geschichte

Schleswig-Holstein, Dänemark, und Preußen, der Badische Aufstand und die 48er Revolution (F.F.K. Hecker)

3.

Biologie

Wattenmeer, Gezeiten, Küstenbiologie, Pflanzen- und Vogelwelt (Seewermut,, Strandnelken, Queller, Möwen, Austernfänger, Taschenkrebse,… )

4.

Philosophie / Latein

Stoiker, Seneca, Zeitbegriff

5.

Kulturgeschichte

Holland in der Kunst, Reiselust, Künstlerleben, Kunst und Gesellschaft,…

6.

Theodor Storm als Autor

Biografische Bedingtheit des Werkes (Beamten- und Preußenhass in der Korrespondenz, „Der Büreaukrat“,…)

7.

Literaturwissenschaft

Interpretation, Rolle des Künstlers in der Gesellschaft
Motive: Vergänglichkeit, Erotik, Resignation,…
Intertextualität (Eine Malerarbeit, Der Schimmelreiter)
Storms Bildung (Müllenhoff, Heinrich Heine, ETA Hoffmann)
Textarbeit: Textgenese (Manuskriptseite, Überarbeitung des Endes)
Textarbeit mit Computer

 

Aufgaben zur Vorbereitung / Einstimmung auf Storms Novelle

Hier sind zehn Fragen, die vor dem Lesen der Novelle zu erörtern sind. Es wäre ratsam, die Antworten schriftlich zu fixieren – als Verlaufsprotokoll etwa –, damit man bei Bedarf darauf zurückgreifen kann. Am Ende der Novelle bittet der Halligbewohner seinen Gast zu ihm auf die Hallig zu ziehen. Wie würde man darauf reagieren, wenn man selbst mit dieser Frage konfrontiert wäre?

Die Antworten müssen nicht lang sein, sie dienen dazu die eigene Einstellung zur Hauptthematik der Novelle zuerst für den Leser zu klären und zu bestimmen.

Sammeln Sie Informationen zu den vorgelagerten Inseln der Nordwestküste, die man „Halligen“ nennt. www.google.de bietet vielfältige Antworten dazu.

 

  1. Sammeln Sie Informationen zu den vorgelagerten Inseln der Nordwestküste, die man „Halligen“ nennt. www.google.de bietet vielfältige Antworten dazu.
  2. Welche Ziele könnten Sie mit einem Halligleben verbinden?
  3. Können Sie sich vorstellen, dass man sich freiwillig für ein dauerhaftes Hallig-Leben entscheidet?
  4. Würden Sie es als Strafe oder als Chance empfinden?
  5. Was würden Sie am meisten vermissen?
  6. Was würden Sie unbedingt mitnehmen, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
  7. Könnten Sie sich selbst vorstellen, Ihren Zivildienst zum Beispiel auf einer Hallig abzuleisten, die als Vogelschutzgebiet deklariert ist – und dort ein Jahr einsam verbringen?
  8. Wie stellen Sie sich die Rückkehr auf das Festland vor? Als Befreiung ? Als Ende eines Traums?
  9. Was könnte sich in Ihrem Leben, im Leben eines Menschen, dadurch ändern?
  10. Oder würden Sie einfach behaupten, der Mensch gehöre nicht auf eine Hallig, sondern er habe als Herdenwesen, als zoon politikon (als staatsbildendes Wesen), seinen Platz nur unter Menschen in der Gesellschaft? Hat er als Künstler nicht eine besondere Verantwortung? Zu diesem Komplex ließe sich moderne Texte

 

Aufgaben zur Novelle

Zum VORText:

Lesen Sie diesen Einleitungsabschnitt der Novelle und überlegen Sie, welche Themen der Dichter möglicherweise bereits festlegen will.

Eine Halligfahrt

Einst waren große Eichenwälder an unsrer Küste, und so dicht standen in ihnen die Bäume, dass ein Eichhörnchen meilenweit von Ast zu Ast springen konnte, ohne den Boden zu berühren. Es wird erzählt, dass bei Hochzeiten, welche durch den Wald zogen, die Braut ihre Krone habe vom Haupte nehmen müssen; so tief hing das Gezweig herab. In den Tagen des Hochsommers war unablässig Schattenkühle unter diesen Waldesdomen, die damals noch der Eber und der Luchs durchstreiften, indessen oben, nur von den Augen der revierenden Falken gesehen, ein Meer von Sonnenschein auf ihren Wipfeln flutete.

Aber diese Wälder sind längst gefallen; nur mitunter gräbt man aus schwarzen Moorgründen oder aus dem Schlamm der Watten noch eine versteinerte Wurzel, die uns Nachlebende ahnen lässt, wie mächtig einst im Kampfe mit den Nordweststürmen jene Laubkronen müssen gerauscht haben. Wenn wir jetzt auf unsern Deichen stehen, so blicken wir in die baumlose Ebene wie in eine Ewigkeit; und mit Recht sagte jene Halligbewohnerin, die von ihrem kleinen Eiland zum ersten Mal hierher kam: »Mein Gott, wat is de Welt doch grot; un et gifft ok noch en Holland!«

Mögliche Antworten:

  1. Damals war die Natur üppig, heute ist die Küste öde und leer.
  2. Die Entwicklung der Zeit wird als negativ dargestellt.
  3. Die Eiche mit ihrem harten Holz symbolisiert zwar Beständigkeit und Dauer, aber auch sie fällt dem Zahn der Zeit zum Opfer: „Aber diese Wälder sind längst gefallen“.
  4. Die Winde haben die Eichenwälder vernichtet: Nichts ist von Bestand, Gefahren lauern und bedrohen die Existenz.
  5. Hin und wieder haben wir durch die Überreste, die ans Tageslicht kommen, Einblick in die Vergangenheit. Die Versteinerungen erinnern an vergangene Zeiten.
  6. Die Natur wird als etwas Sakrales betrachtet („Waldesdome“).
  7. Es wäre fatal zu glauben, dass es nur Schatten gibt, die Sonne, die man nicht zu Gesicht bekommt, scheint über den Wipfeln. Der Falke, der das Glück hat, über den „Eichenwäldern“ zu fliegen, kann die Existenz der Sonne bezeugen. Die Perspektive entscheidet über das Weltbild.
  8. Wie der Falke schließt sich die Halligbewohnerin durch den Wechsel des gewohnten Raums eine andere Welt auf, deren Existenz sie nicht geahnt hätte, wenn sie nicht auf die Reise gegangen wäre.
  9. „Die baumlose Ebene“, die das Landschaftsbild heute bestimmt, ist nicht als einziges Angebot der Natur zu verstehen. Historisches Bewusstsein lässt die Welt in Bewegung erscheinen.
  10. Die Halligbewohnerin, die nur ihre eingeengte Welt kannte, staunt, wenn sie auf dem Festland ankommt. Die Welt ist doch viel größer als sie angenommen hat, und es gibt noch ein kulturelles Paradies: Holland!

 

Zusammenfassung

Die aktuelle baumlose Ebene ist nicht als Ende einer Entwicklung anzusehen. Die Existenz eines kulturellen Landes stellt unter Beweis, dass unter Einsatz aller Kräfte eine positive Umkehr möglich ist. Wenn man den Blick des Falken übernimmt, kann man die Welt von einer anderen Perspektive als die übliche wahrnehmen und neue Überlebenskräfte entwickeln. Das Weltbild des Falken erhebt sich von dem der Hochzeitsgäste ab.

 

Zum Rahmen der Novelle:

Lesen Sie nun die drei nächsten Absätze:

Und wie erquicklich die Luft auf diesen Deichen weht! Ich komme eben heim; wo hätte ich besser den Sonntagmorgen feiern können!

Schon hatte unten in den Kögen der erste warme Frühlingsregen die unabsehbaren Wiesenlandschaften grün gemacht; schon weideten wieder die unzähligen Rinder auf der Rasendecke, in welcher die Wassergräben zwischen den einzelnen Fennen wie Silberstreifen in der Morgensonne funkelten. Von hüben und drüben, abwechselnd und sich antwortend, in unendlicher Abtönung, erhob sich Gebrüll und klang weit über die Ebene hinaus. Und wie lebendig die Stare waren, diese geflügelten Freunde der Rinder! In lärmendem Zuge kamen sie vom Koge herauf, schwenkten vor mir hin und wieder und fielen dann in dichtem Schwarm auf die Krone des Deiches nieder, um gleich darauf, hurtig um sich pickend, seewärts an der Böschung hinabzuspazieren.

Aber unten, entlang dem Strome, der von der Stadt ins Meer hinausführt, schimmerte einladend die neue Strohbestickung, womit zum Schutze gegen die nagende Flut der Saum des Strandes überzogen war. – Wie anmutig es sich auf diesem sauberen Teppich wandelte! – Es war noch in der Morgenfrühe; das traumhafte Gefühl der Jugend überkam mich wieder, als müsse dieser Tag was unaussprechlich Holdes mir entgegenbringen; kommt doch für jeden die Zeit, wo auch die Gespenster des Glückes noch willkommen sind. – Und siehe! – Während das Wasser weich, fast lautlos zu meinen Füßen anspülte, plötzlich mit leichten, unhörbaren Schritten ging die Erinnerung neben mir. Sie kam weither aus der Vergangenheit; aber ihr Haar, das sie kurz in freien Locken trug, war noch so blond wie einst. – Es war deine Gestalt, Susanne, in der sie mir erschien; ich sah wieder dein junges, fest umrissenes Gesichtchen, die kleine Hand, die lebhaft in die Ferne zeigte – wie deutlich sah ich es!

 

Aufgaben:

1. Lesen Sie aufmerksam jedes Wort des ersten Absatzes und sagen Sie, was Ihnen spontan dabei in Form von Synonymen einfällt:

Mögliche Antworten:

  • erquicklich: belebend, erfrischend
  • Luft: Sauerstoff, Leben,
  • Deich: Schutz
  • heim: nach Hause, heimatlich, Ort des Friedens
  • Sonntagmorgen: Tag des Herrn
  • feiern : begrüßen

2. Schreiben Sie anhand dieser Synonyme einen Parallelsatz zu Storms erstem Satz.

Mögliche Antwort:

Ich spüre, wie die frische Luft mich zum Leben erweckt.
Hier auf dem Deich empfinde ich mich nah an der Schöpfung, geborgen und zu Hause.

3. Lesen Sie nun die beiden nächsten Absätze. Dieser Abschnitt bildet den Rahmen, der erläutert, warum der Erzähler an die damalige Halligfahrt denkt, die er mit Susanne und deren Mutter unternommen hat, um seinem Vetter einen Besuch abzustatten.

4. Suchen Sie die erwähnten Ideen heraus, die Storm weiter ausbaut. Gehen Sie konkret von den Wörtern aus, die der Dichter verwendet. Stellen Sie Ihre Ergebnisse als Cluster dar und versuchen Sie Ihre Ergebnisse zu interpretieren.

Frühling
Wärme
Sonne
Koog
Morgensonne
Deich

Wasser / Fenne

lebendig
Morgen

Auffällig ist der gewollte Standort: Der Erinnerungsvorgang findet am Wasser statt: auf dem Deich, an der Küste auf einem schützenden Ort. Es ist Frühling, die Natur wie der Erzähler werden durch die belebende Wirkung der ersten Frühlingswärme wach.

Ebenso erwähnenswert ist eine kaum versteckte Wiederholung. Die Vögel bewegen sich „seewärts“, der Strom geht von „der Stadt ins Meer“. Es klingt wie eine Flucht in Richtung Natur. Die Vögel suchen Schutz in Richtung Meer und der Strom nimmt das Leben, das in der Stadt entstanden ist, mit sich ins Meer, wo es sich auflöst. Alles Erlebte, alles Vergangene scheint sich dort in seinen Bestandteilen aufzulösen. Und die Bestickung? Sie dient „zum Schutze gegen die nagende Flut“, die alles Menschliche, wofür die Stadt symbolisch steht, transportiert. Diese schützende Bestickung ermöglicht das Wandern als eine angenehme Erfahrung zu betrachten. Alle historisch bedingten Differenzen unter Menschen, die ein Paradies auf Erden verhindern, werden durch diese Schicht verdrängt, sie werden nicht mehr sichtbar, wahrnehmbar. Durch die Bestickung ist das Wandern „anmutig“ geworden.

Die Novelle wird durch den dreifachen Hinweis auf den Beginn der Zeiten als eine Erfahrung mit Initiationscharakter vorgestellt. Wenn die Erinnerung an Susanne in sein Gedächtnis unwillkürlich steigt, ist der Tag kaum angebrochen, es ist Frühling, der Lebensrhythmus setzt neu an, der Erzähler verweist auf seine ungetrübten Glückserfahrungen, die in der Jugend angesiedelt ist und sich später als „Gespenster“ zurückmelden. Noch glaubte er an ein selbstbestimmtes Leben. Die Frauengestalt, die der Erzähler wieder als “Gespenst des Glückes“ vor sich hat, erinnert ihn an die Geschichte seiner gescheiterten Liebesbeziehung und versetzt ihn in eine resignative Stimmung. Nur das Vergessen der historisch bedingten Begleitumstände konnte ein Liebesleben mit Susanne als Wanderung auf einem anmutigen Teppich glaubhaft machen.

Zur Novelle:

Die Handlung der Novelle erfasst hauptsächlich den Besuch des auf seine Hallig zurückgezogenen Vetters durch die Geheimrätin, ihre Tochter Susanne und den Erzähler. Sie beginnt morgens mit dem Betreten des Bootes am Hafen und endet am Abend desselben Tages mit der Ankunft des Schiffes am Hafen bei einsetzender Ebbe („Zur andern Seite stand der Mond und warf gelblich blinkende Lichter auf den von der eintretenden Ebbe bloßgelegten Schlamm.“ - Z. 467 / LL II, S.61). Mit dem nächsten Absatz schließt sich der Rahmen. Dann spricht der Erzähler von seinem Besuch beim betagten Vetter allein ein paar Jahre später, das ist die zweite Halligfahrt. Durch den Einblick in das Tagebuch des Vetters werden die Begleitumstände und die Begründungen für das Verlassen des Festlandes zugunsten der Hallig vorgestellt; das ist die dritte Halligfahrt, chronologisch betrachtet, die allererste. Ob es eine vierte Halligfahrt im Rahmen der Beerdigung des Vetters gibt, verschweigt der Erzähler. Möglich wäre es, denn die Novelle liefert eine Reihe von Informationen über die Zeit unmittelbar nach seinem Tod, über die Entwicklung müsste der Erzähler sonst nur spekulieren.

Aufgabe:

Lesen Sie die Geschichte des Besuchs auf der Hallig durch und gliedern Sie sie nach den Ortsangaben und den beteiligten Personen.

Benutzen Sie am besten folgendes Schema:
(Die Zeilenangaben variieren natürlich nach dem Textformat)

Zeilenangabe
Ortsangabe
Personen (Erz.; Vetter.; G-Rätin; Sus.; Fischer;)
Gesprächsthemen / Vorkommnisse
36-56
Zur Hallig auf der „Wohlfahrt“ Erz., GR, Su. Lerchengesang, Stille, Seekrabben, Champignons
57-117
     
       
       
       
       
       

 

Mögliches Ergebnis:

Zeilenangabe
Ortsangabe
Personen (Erz.; Vetter.; G-Rätin; Sus.; Fischer;)
Gesprächsthemen / Vorkommnisse
36-56
An Bord der „Wohlfahrt“ Erz., GR, Su. Lerchengesang, Stille, Seekrabben, Champignons
57-117
Unterwegs Erz., GR, Su., Schiffer Rungholt, Seneka, Trotz nu, blanke Hans, Sagen, geisterhafte Musik
118-126
Die Hallig Erz., GR, Su., Die Silbermöwe
127-152
Das Hallighaus Erz., GR, Su., Gesamtblick, Vorstellung des Vetters als Musikers
153-158
Auf der Werfte Erz., GR, Su., Ve. Begrüßung, Ländchen der Freiheit
159-169
Im Pesel Erz., GR, Su., Ve. Die Einrichtung: Venus, Sperling, Muscheln, Kupferstiche (Ruisdael)
170-176
Blick nach draußen Erz., GR, Su., Ve. Mast des gestrandeten Schiffs, alles Strandgut: Hund, Wein, Bibliothek
177-201
Bibliothek Erz., GR, Su., Ve. Hesperus, Emma, welke Blume
202-208
Bücherschrank Erz., GR, Su., Ve. Geigensärglein, Thema ignoriert
209-258
Am Esstisch Erz., GR, Su., Gespräch GR-Ve über die Beamten
259-276
Am Esstisch Erz., GR, Su., Ve. Martje Flor, Sage
277-306
Im Garten Erz., GR, Su., Ve. Fething, Pumpe, weiße Katze, paarweise auf Entdeckung
307-312
Zimmerwerkstatt Erz., Sohn des Hauses Robinson als Bootsbauer
313-316
Im Stall Erzähler allein Leerer Raum, dunkel, Hühner, Katze
317-342
In der Scheune Erzähler mit Susanne Gespräch über gemeinsames Leben
343-403
Am Strand Erzähler mit Susanne Nähere Begegnung ohne Folgen, Austernfischer, Angriff der Vögel
404-446
Hinter dem Haus Erzähler mit Vetter Gespräch über Susanne, Hoffnung des Vetters auf mögliche Ehe
447-467
An Bord Erz., GR, Su., Nebeneinander schweigend, Kälte Klabautermann schaut zu.
468-474
- - - Erzähler Rahmen – Die gesamte Erfahrung gehört der Vergangenheit, Seneka

Gliederungsmöglichkeit des Unterrichtes mit inhaltlichem Schwerpunkt:

  1. Die Fahrt zur Hallig
  2. Im Hallighaus mit Außenblick
  3. Die Zukunft – Martje Flor
  4. Im Garten und im Stallbereich
  5. Am Strand
  6. Zurück aufs Festland – Der Rahmen

Aufgaben zu Abschnitt 1. Die Fahrt zur Hallig

  1. Lesen Sie diesen Abschnitt. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit von der Reise und Sie können sie ungestört beobachten. Umreißen Sie ein Portrait der Fahrgäste, was sie tun, was sie sagen, wie sie sich geben. Wie schätzen Sie sie ein?
  2. Welchen symbolischen Wert haben die Champignons und die Seekrabben für die Einordnung der Geheimrätin?
  3. Der Fischer bricht das Gespräch ab und verweist auf die stoische Philosophie. Lesen Sie die im Link angegebenen Informationen und überlegen Sie, warum Seneca falsch wiedergegeben wird.
  4. Es ist bereits auf den Blick des Falken hingewiesen worden, der mehr sieht, weil er eine andere Perspektive einnimmt. Die Möwe schaut ebenso von oben aufs Meer und der Fischer meint, sie hat die versunkene Stadt Rungholt gesehen. Was leistet diese Möwe mehr als die Fahrgäste? Worauf will Storm hinweisen?
  5. Es gibt wohl zweierlei Menschen: Die einen können wie die Möwen Rungholt im Wasser sehen, weil sie „mit wachen Augen“ auf die Welt schauen, und die anderen nicht. Beschreiben Sie beide Menschentypen. (Diese Unterscheidung erinnert an Goethes Ballade „Erlkönig“, Vater und Sohn haben ein verschiedenartiges Wirklichkeitsverständnis.)
  6. Am Ende des Gesprächs mit den Fahrgästen, behauptet der Fischer, dass er selbst die Glocken von Rungholt nie gehört hat. Fragen Sie ihn, was er damit meint. Führen Sie das Gespräch. Was denken Sie von seiner Stellungnahme? Bringen Sie diese Äußerungen in Zusammenhang mit der „geisterhaften Musik“.
  7. Lesen Sie Heines Gedicht „Seegespenster“ und erklären Sie, welches Interesse Menschen an solchen Rätseln haben können.
  8. „Trotz nu, blanke Hans!“. Lesen Sie Liliencrons Gedicht und überlegen Sie, welche Lektion Sie aus dieser Bemerkung für das Verständnis der Novelle ziehen können? Passt die Sage mit der betrunkenen Sau dazu?

Aufgaben zu Abschnitt 2. Im Hallighaus mit Außenblick

  1. Wie wird die Insel von dem Erzähler beschrieben? Belegen Sie Ihren Eindruck am Text.
  2. Im zweiten Absatz wird dieser Eindruck korrigiert. Dennoch stellt der Vetter seine Insel als „Ländchen der Freiheit“ bei der Begrüßung vor. Wie verstehen Sie beide Perspektiven? Welches Licht wirft es auf den Erzähler? Welches auf den Vetter?
  3. Bringen Sie Ihre Erkenntnisse in Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Beschreibung der Silbermöwe, „largus argentatus“, die den Erzähler an die Gans „mit hartem Schrei“ erinnert.
  4. Wie begründet der Vetter seine Entscheidung auf einer Hallig zu leben? Schauen Sie in Theodor Storms Lebensgeschichte nach, inwiefern diese Entscheidung autobiografischen Charakter haben könnte (Stichwort „Staatsmaschine“).
  5. Was hat der Vetter mit in sein neues Domizil mitgenommen? Welchem Bereich ordnen Sie alles zu? Welche Funktionen haben all diese Gegenstände heute für ihn?
  6. Nicht nur Eigenes hat der Vetter um sich? Was besitzt er noch? Unter welchem Be- griff fasst er alles zusammen? Welchen Eindruck erweckt bei Ihnen das Wort „Strandgut“?
  7. Welche Rolle spielt hier die Erinnerung an Emma? Storms erste Braut hieß „Emma“ mit Vornamen? Ist es Zufall? Erinnert das vertrocknete Vergissmeinnicht nicht an die versteinten Wurzeln, die Zeugnis für die einstigen großen „Eichenwälder“ ablegen?
  8. Der Abschnitt geht mit einem Hinweis auf das Geigensärglein zu Ende, über das der Vetter sich ausschweigt. Sehen Sie darin einen Zufall? Auch die Geige erinnert an die Zeit, als der Vetter als Musiker berühmt war.
  9. Wenn man nach außen blickt, sieht man den Mast eines gestrandeten Schiffes. Versuchen Sie den symbolischen Charakter dieses Bildes zu deuten. (Wäre es falsch darin eine Metapher für die Existenz des Vetters zu sehen?)
  10. Versuchen Sie das jetzige Leben des Vetters zu beschreiben. Sie halten Ihre eigenen Beobachtungen in Ihr Tagebuch fest.

Aufgaben zu Abschnitt 3. Die Zukunft – Martje Flor

  1. Zeigen Sie auf, dass die Geheimrätin und der Vetter zwei verschiedenen Kulturkreisen angehören.
  2. Kann es Ihrer Meinung nach einen Kompromiss zwischen beiden Lebensauffassungen geben?
  3. Worauf führen Sie die latente Aggressivität zwischen beiden zurück? Was meint sie unter „mein trefflicher, seliger Mann“? Ist der Vetter kein trefflicher Mann?
  4. Können Sie sich vorstellen, warum der Vetter doch selbst das Glas holt, obwohl er die Mantje gerufen hat?
  5. Lesen Sie Grimms Märchen „Der Fischer un syn Frau“ nach (oder dessen Zusammenfassung im Link – falls Ihnen die Zeit fehlt.) und weisen Sie nach, dass es zur Novelle passt.
  6. Die Sage um Martje Flor soll etwas klarmachen, was die konkrete Situation nur suggeriert. Listen Sie die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Geschichten auf, damit der Trinkspruch des jungen Mädchens auf den reellen Fall übertragbar ist, und sagen Sie, was sich der Vetter unmittelbar für die Zukunft wünscht.

Aufgaben zu Abschnitt 4. Im Garten und im Stallbereich

  1. Der Vetter und seine drei Gäste ziehen sich in den Garten zurück und entdecken diesen Naturbereich. Beschreiben Sie diesen Ort, der als Oase in dieser Einöde gelten könnte. Versuchen Sie ausgehend von den Details, die der Text liefert, eine Zeichnung anzufertigen.
  2. Im Mittelalter hatte jedes Kloster einen Garten, der an das Paradies auf Erden erinnern sollte. Erkundigen Sie sich über eine www.google.de, wie ein hortus conclusus aussah. Vergleichen Sie diesen Garten mit dem hiesigen und erläutern Sie, welche Funktion es für das Liebespaar, das sich noch sucht, haben könnte.
  3. Bei Garten denkt man also an Paradies, bei Gartennest an Liebesnest. Welche Versuchung könnte der Apfelbaum für die beiden in sich bergen, der da wächst? Denken Sie an die seelische Verfassung, in der sie sich befinden: „Unmerklich, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, waren wir in jenen träumerischen Zustand geraten, von dem in der Sommerstille, inmitten der webenden Natur, so leicht ein junges Paar beschlichen wird: sie schweigen, und sie meinen fast zu reden„.
  4. Lesen Sie im Link die Textstelle, die Storm nachträglich eingefügt hat, und überlegen Sie, aus welchen Gründen er sich wohl dazu entschieden hat.
  5. Wenn die Stunde zum Kaffeetrinken schlägt, vermeidet der Erzähler dieses Ritual und zieht sich lieber in das Nebengebäude. Zuerst stößt er in der Werkstatt auf das Segelboot, das der Sohn des Hauses – wie ein „Robinson“ – zusammenbaut. Dann kommt er in den Stall, der leer und düster ist, um sich in der Scheune umzuschauen. Auch dieser Raum, in dem sich ein neues Boot befindet, ist besonders dunkel. Überlegen Sie, was diese Dunkelheit hier bedeuten könnte?
  6. Plötzlich erscheint Susanne im Türrahmen. Wie begründet sie, dass sie das Kaffeetisch-Ritual abgebrochen hat? Fügen Sie in Ihre Überlegungen ihren Hinweis auf das Teleskop, das sie verabscheut, hinzu. Welche Lebensauffassung verrät sie durch diese Anmerkung? Wirkt es sympathisch auf Sie als Leser?
  7. Lesen Sie noch einmal den Abschnitt, in dem Susanne es ablehnt, sich in das Boot neben den Erzähler zu setzen. Wie erklären Sie sich diese Reaktion? Steht sie womöglich im Widerspruch zu Ihren Erklärungen bezüglich der Dunkelheit in diesem Raum?
  8. Unvermittelt bricht Susanne das Gespräch ab und schlägt vor, die Vögel am Strand zu beobachten? Erläutern Sie die Spannung, die zwischen den beiden plötzlich entsteht. Welche Hoffnung kann sich der Erzähler machen, dass aus dieser Begegnung eine Liebesgeschichte entsteht? (Susannes Formulierung lässt tief blicken: „Wir wollen…“, sagt sie.

 

Aufgaben zu Abschnitt 5. Am Strand

  1. Lesen Sie die Beschreibung des Hinweges und sagen Sie, was Ihnen dabei in Bezug auf die sich anbahnende Beziehung auffällt. Vergleichen Sie anschließend den Abschnitt über den Rückweg. Was fällt Ihnen auf?
  2. Worauf legt der Erzähler Wert, wenn er auf die zwei Vogelarten eingeht, insbesondere auf die Austernfischer.
  3. Der Hinweis auf den Ort der Nester (»diese Kreaturen machen wenig Umstände mit ihrer Häuslichkeit«) scheint einen besonderen Beiklang zu haben? Welche Sehnsucht schimmert durch diese Bemerkung durch? Gilt sie auch für den Erzähler?
  4. Was verdeutlicht der Angriff der „wilden“ Vögel auf Susanne?
  5. Während dieser Szene bleibt der Erzähler allein zurück und kommt ins Träumen, wenn er ihr Schiff beobachtet, dessen Namen in der Sonne glänzt. Verdeutlichen Sie dieses Tagträumen, indem Ihr sie ausformuliert.
  6. Erkundigen Sie sich über die Bedeutung des Heckerhuts. Was könnte eine Liebesgeschichte für den Erzähler bedeuten? Wie rechtfertigt er vor sich selbst seine im Ei erstickte Liebesgeschichte?
  7. Würden Sie sagen, dass Susanne realistischer ist, wenn sie die Annäherungsversuche des Erzählers immer wieder abwehrt?
  8. Lesen Sie das Gespräch zwischen dem Erzähler und dem Vetter vor der Rückfahrt und erklären Sie, wieso die Kommunikation gestört verläuft. Welche Träume des Vetters sollte der Erzähler verwirklichen? Er sagt sogar, er würde seine Melodien wieder aufleben lassen und die Geige wieder zum Singen bringen können, wenn sie ihn bald „selbander“ wieder besuchen.
  9. Bevor sie die Hallig verlassen, bietet der Vetter dem Erzähler einen Ausbau seines Hauses, damit auch er auf der Hallig leben kann. Meinen Sie, dass der Erzähler auf der Hallig glücklich sein könnte? Was würde er vermissen?
  10. Welche Bedeutung hat die Ablehnung des Erzählers für den Vetter, sich nicht vom politischen und beruflichen Geschäft zurückzuziehen und auf der Insel ein ungestörtes Dasein zu fristen.

 

Aufgaben zu Abschnitt 6. Zurück aufs Festland – Der Schlussrahmen

  1. Im ersten Absatz werden Susanne und ihre Mutter kontrastiv beschrieben. Um Susannens Kleidung einzuordnen, könnte ein Hinweis auf den „Schimmelreiter“ hilfreich sein. Wenn Haukes letzter Ritt bevorsteht, hüllt er sich ebenso in ein Tuch, in einen Mantel ein. Susannes Blässe und starre Haltung auf dem Schiff würde die Vermutung des Scheiterns bestätigen. Was verdeutlicht die Kleidung für den Erzähler?
  2. Lesen Sie die Hinweise auf den Klabautermann und überlegen Sie, welche Botschaft er durch seine Anwesenheit vermittelt? Wie bewerten Sie den Misserfolg der Liebesbegegnung zwischen Susanne und dem Erzähler?
  3. Die eintretende Ebbe legt den Schlamm bloß. Formulieren Sie die Symbolfunktion der Ebbe, die hier wohl nicht nur realistischen Charakter hat.
  4. Immer wieder hat die Lerche die Halligfahrt begleitet. Sammeln Sie anhand der Suchtaste, wann Lerchengesang ertönt. Storm bedient sich im Volkslied für dieses Motiv. Bringen Sie folgendes Gedicht Storms, das Unruhe, Trauer ausdrückt, mit der Novelle in Verbindung und decken Sie dessen Symbolfunktion auf.

    Schlaflos (entstanden 1857)
    Aus Träumen und Ängsten bin ich erwacht,
    Was singt doch die Lerche so tief in der Nacht!
    Der Tag ist gegangen, der Morgen ist fern,
    Aufs Kissen hernieder scheinen die Stern’.
    Und immer hör ich den Lerchengesang,
    O Stimme des Tages, mein Herz ist bang.

  5. Lesen Sie den Abschnitt, der den Rahmen schließt, und versuchen Sie a) eine Deutung der Novelle, die hier enden könnte, zu formulieren. Gehen Sie auf die Gefühle ein, mit denen der Erzähler auf seine Erfahrung zurückblickt; und versuchen Sie b) diesen Schluss zu bewerten, nachdem Sie die Eröffnung des Rahmens wieder zur Kenntnis genommen haben.
  6. Der Erzähler scheint sich mehr für sein politisches Engagement zu sorgen. Welchen Stellenwert sehen Sie in dem Hinweis auf sein Äußeres?
  7. Was meint er mit der „Härte“ des Edelsteins? Ist es eine Art sich über das Scheitern dieser sich damals anbahnenden Liebesbeziehung hinwegzutrösten?
  8. Das Rungholt-Motiv taucht implizit mit dem Hinweis auf den stoischen Philosophen wieder auf. Begeht der Erzähler nicht denselben Fehler wie der Schiffer, der sie zur Hallig gebracht hat, als er meinte, man solle die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen?

Kreative Aufgabe: Sie müssen jetzt in der Lage sein, eine Zusammenfassung der Novelle mit appellativem Charakter zu formulieren, um einen potentiellen Leser für sie zu gewinnen.

 

Der letzte Abschnitt der Novelle ermöglicht einen Einblick in die Hintergründe des Vetters zu gewinnen, das Festland zu verlassen und auf die Hallig zu ziehen. Er entspricht dem Blick des Falken, der die einstigen Eichenwälder von oben begutachten kann, und dem Blick der Silbermöwe, die „mit wachen Augen“ in der Lage ist, Rungholt zu sehen. Diese Betrachtung erfolgt in zwei Abschnitten; Zuerst besucht der Erzähler den betagten Vetter ein paar Jahre später und dann bekommt er nach seinem Ableben dessen Tagebuch zu lesen, das eine weitere Schicht seiner Biografie bloßlegt. Diese vielfältigen Ebenen lassen Rückschlüsse über die Motivation des Erzählers zu, die Geschichte des gescheiterten Vetters zu ergründen und ihn durch das Schreiben dem Zugriff der Vergänglichkeit und der Vergessenheit zu entziehen. Ebenso eröffnet die Novelle einen Einblick in die psychische Befindlichkeit des Dichters, der sich als Ehemann (Constanze starb im Mai 1865), als Jurist und engagierter Demokrat und als Dichter (Er hatte zu der Zeit bereit sein künstlerisches Testament verfasst.) in einer Schaffenskrise befindet. Auch er denkt ernsthaft an ein Leben in der Zurückgezogenheit im Elfenbeinturm, das er schließlich schreibend am konkreten Beispiel des Vetters überwindet. Die Halligfahrt ist die Geschichte einer Versuchung, der Storm nicht anheim fällt. Er geht nicht auf den Vorschlag des Vetters ein, sich zu einem Leben auf der Hallig zu entscheiden, und die Rückkehr zum Kontinent schafft er trotz der Erfahrung einer aus sozial-politischen Gründen gescheiterten Liebesbeziehung und ohne seiner demokratischen Überzeugung untreu zu sein. Er trägt weiterhin den Heckerhut und den Schnurrbart der Demokraten.

Aufgaben:

  1. Lesen Sie die nächsten drei Abschnitte, die das Leben des Vetters bis zu seinem Tod schildern und arbeiten Sie die Ihnen inzwischen vertrauten Aspekte und Motive heraus.
  2. Der mögliche Weg vom Grabe „auf das weite Meer“ erinnert an die Beschreibung des Stroms, der von der Stadt ins Meer hinausführt, wie zu Beginn der Novelle erwähnt wird. Wie interpretieren Sie diese Stelle?
  3. Erklären Sie, die jetzige Zuneigung des Erzählers für den Vetter, den die Geheimrätin unwidersprochen als „seltsamen Kauz“ bezeichnet hatte.
  4. Am Ende des Abschnitts wird vom Leben des Vetters auf der Heide berichtet. Wie steht im Verhältnis dazu das Halligleben für einen Menschen, der »die nötige Erholung von dem Menschenleben« brauchte?
  5. Lesen Sie nun zuerst den Abschnitt bis „zittern“ und zählen Sie die Ihnen bekannten Motive auf.
    (Mögliche Antworten: Erinnerungen mit zeitaufhebendem Visionscharakter, Vergänglichkeit, Vergeblichkeit, Herbstsstimmung und künstlerisches Talent als Verpflichtung).
  6. Zur Aufführung wird er von einer jungen Frau namens „Eveline“ begleitet und unterstützt, dessen Vornamen an die Urmutter Eva denken lässt. Sie dient dem Vetter als stärkende Muse an seiner Seite. „Sie haben es mir doch versprochen!“. Worüber muss sie den Virtuosen vor dem Konzert hinweghelfen?
  7. Welchen Eindruck erweckt das Konzert auf Sie? Warum kann dieses Umfeld dem Vetter nicht gefallen? Als was droht seine Kunst angesehen zu werden? M.a.W. Als was betrachten die Zuhörer Kunst?
  8. Lesen Sie Andersens Märchen „Elfenhügel“ und Kopischs Gedicht „Der Neck“ und erläutern Sie den Zusammenhang mit der Novelle.
  9. Der Hinweis auf die Rosen, ohne die das Leben wertlos wäre, klang bereits beim Abschied von Susanne an. "Es gibt Tage, die den Rosen gleichen; sie duften und leuchten, und alles ist vorüber; es folgt ihnen keine Frucht, aber auch keine Enttäuschung." Wie interpretieren Sie diese Stelle? Anklagend? Resignativ vielleicht? Welche Konsequenzen hat diese Ansicht für die Lebensgestaltung des Vetters?
  10. Aus Achtung vor seiner Muse, die auch der Vergänglichkeit zum Opfer fallen wird, kündigt der Geiger ihre Dienste, damit sie nicht umsonst gelebt hat. Eveline verabschiedet sich und verschwindet im Dunkeln der Nacht für immer. Welchen Denkfehler begeht der Vetter hier? Hat er vielleicht eine zu absolute Vorstellung des Künstlers und der Kunst, so dass die Selbstaufgabe die einzige ins Auge zu fassende Lösung wäre?
  11. Spielen Sie die Konsequenzen einer solchen Kunstauffassung für den Dichter Storm durch, und überlegen Sie, ob eine Gesellschaft auf den Beitrag eines im Schoß der Gesellschaft verankerten Künstlers ungeschadet verzichten kann.
  12. In den letzten Sätzen meldet sich der Erzähler erneut zu Wort: „Requiescat! Requiescat!“. Bewerten Sie diese Sätze im Lichte Ihrer Erkenntnisse über die von Seneca vertretene stoische Philosophie.

 

Am Ende der Novelle könnte man annehmen, dass sich alles im Nichts endgültig auflöst, wie vom „weiten Meer“ verschlungen. Das wäre aber verkennen, dass der Erzähler dem Vetter durch seine Geschichte ein Denkmal setzt, das der Zeit widersteht. Bei jedem Lesen wird der Vetter und sein Umfeld erneut zum Leben erweckt und der Leser wird immer wieder daran erinnert, dass die Engstirnigkeit der Philister das Lebensprinzip, das das Selbstbestimmungsrecht voraussetzt, gefährdet. Ein Auszug aus einem engagierten Brief Storms vom 14. November 1870 an den Greifswalder Professor Theodor Pyl zum deutsch-französischen Krieg zeigt, wie sehr sich Storm durch diese kriegerische Haltung der Preußen entmutigt fühlt:

„Und der Krieg? – Ich habe, so selbstverständlich dieser Krieg sein mag – mehr Begeisterung für den Kampf im Staate als für den um seine Grenzen. Etwas sitzt mir auch wohl der Groll gegen das spezifisch preuß[ische] Wesen und gegen die Art, wie es gegen uns hier aufgetreten ist, in der Kehle.“
(Karl Ernst Laage: Theodor Storm. Eine Biographie. Heide 1999, S.119.)

Zur Gesamtinterpretation:

  1. Welche Funktion hat die Erinnerung in der Novelle?
  2. Welche Umstände haben eine Liebesgeschichte zwischen dem Erzähler und Susanne verhindert?
  3. Für die Zukunft des Erzählers fasst der Vetter zwei Möglichkeiten ins Auge: Entweder Susanne heiraten oder mit ihm auf der Hallig leben. Für welche entscheidet sich der Erzähler? Theodor Storm?
  4. Storm nennt seine Novelle „Eine Halligfahrt“. Es werden aber nicht eine, sondern mindestens drei erwähnt : 1. Der Besuch des Vetters mit dem Erzähler, der Geheimrätin und deren Tochter, 2. der Besuch des Vetters durch den Erzähler allein, 3. der Umzug des Vetters zu seiner Hallig und 4. eine Fahrt für das Begräbnis bzw. kurz danach.). Welche Fahrt steht für Sie im Vordergrund? Begründen Sie jeweils Ihre Antwort im Hinblick auf eine Interpretation der Novelle.
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