Dokument vom:
18.09.2008
Draußen im Heidedorf - Materialien

Materialien

 

 

1. Bilder

(weiteres Bildmaterial ist in die Unterrichtsprotokolle integriert)

 


Amtsbereich des Landvogts Storm; Amt Husum
(Landbezirk Husum mit den Halligen aber ohne den Stadtbezirk)

 


Marktplatz und Großstraße in Husum nach Westen, Photographie von 1862

 


Großstraße und Marktplatz in Husum nach Osten, Photographie um 1870

 


Altes Bauernhaus der Familie Storm in Westermühlen

 

2. Texte

In Storms Bibliothek befand sich eine Ausgabe der Grimmschen Sagensammlung, aus der er folgenden Text gelesen haben könnte:

81. Der Alp

Wenngleich vor den Alpen Fenster und Türe verschlossen werden, so können sie durch die kleinsten Löcher doch hereinkommen, welche sie mit sonderlicher Lust aufsuchen. Man kann in der Stille der Nacht das Geräusch hören, welches sie dabei in der Wand machen. Steht man nun geschwind auf und verstopft das Loch, so müssen sie bleiben, können auch nicht von dannen, selbst wenn Tür und Tor geöffnet würden. Man muß ihnen hierauf das Versprechen abnehmen, daß sie diesen Ort niemals beunruhigen wollen, bevor man sie in Freiheit setzt. Sie haben bei solchen Gelegenheiten erbärmlich geklagt, wie sie zu Haus ihre Kinderchen hätten, die verschmachten müßten, so sie nicht loskämen.

Der Trud oder Alp kommt oft weit her bei seinen nächtlichen Besuchen. Einstmals sind Hirten mitten in der Nacht im Felde gewesen und haben nicht weit von einem Wasser ihrer Herden gewartet. Da kommt ein Alp, steigt in den Kahn, löst ihn vom Ufer ab und rudert mit einer selbst mitgebrachten Schwinge hinüber, steigt alsdann aus, befestigt den Kahn jenseits und verfolgt seinen Weg. Nach einer Weile kehrt er zurück und rudert ebenso herüber. Die Hirten aber, nachdem sie solchem mehrere Nächte zugesehen und es geschehen lassen, bereden sich, diesen Kahn wegzunehmen. Wie nun der Alp wiederkommt, so hebt er an kläglich zu winseln und droht den Hirten, den Kahn gleich herüberzuschaffen, wenn sie Frieden haben wollten; welches sie auch tun müssen.

Jemand legte, um den Alp abzuhalten, eine Hechel auf den Leib, aber der Alp drehte sie gleich um und drückte ihm die Spitzen in den Leib. Ein besseres Mittel ist es, die Schuhe vor dem Bette umzukehren, also daß die Hacken das Spannbett am nächsten bei sich haben. Wenn er drückt, und man kann den Daumen in die Hand bringen, so muß er weichen. Nachts reitet er oft die Pferde, so daß man ihnen morgens anmerkt, wie sie abgemattet sind. Mit Pferdeköpfen kann er auch vertrieben werden. Wer vor dem Schlafengehen seinen Stuhl nicht versetzt, den reitet der Mahr des Nachts. Gern machen sie den Leuten Weichselzöpfe (Schrötleinszöpfe, Mahrenflechten), indem sie das Haar saugen und verflechten. Wenn die Muhme ein Kind windelt, muß sie ein Kreuz machen und einen Zipfel aufschlagen, sonst windelt es der Alp noch einmal.

Sagt man zu dem drückenden Alp:

»Trud, komm morgen,
so will ich borgen!«

weicht er alsbald und kommt am andern Morgen in Gestalt eines Menschen, etwas zu borgen. Oder ruft man ihm nach: »Komm morgen und trink mit mir«, so muß derjenige kommen, der ihn gesandt hat.

Nach Praetorius stoßen seine Augenbraunen in gleichen Linien zusammen, andere erzählen, daß Leute, denen die Augenbrauen auf der Stirne zusammengewachsen sind, andern, wenn sie Zorn oder Haß auf sie haben, den Alp mit bloßen Gedanken zuschicken können. Er kommt dann aus den Augenbrauen, sieht aus wie ein kleiner weißer Schmetterling und setzt sich auf die Brust des andern Schlafenden.

Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Bd. 1, hg. von Hans-Jörg Uther, München 1993.

 

Storm als Landvogt

(Briefliche Äußerungen über seine Tätigkeit)

  • ,,Die Nordstrander haben ihrem Hardesvogt Bertuch (einem wohl ziemlich miserablen Subjekt) ... das Haus spoliert (d.h. geplündert). Nun gehe ich gleich zu Schiff hinüber." (Storm an Pietsch am 19.7.1864)
  • ,,Heut Vormittag eine angestrengte Untersuchung über Brandstiftung; gestern abend, da ich in den Gesangverein wollte, wurden Emil (Arzt, Bruder Storms) und ich wegen eines versuchten Selbstmordes nach Winnert (11/2 Meile) in die stockfinstere Nacht hinausgetrieben, und nachdem ich dort bis Mitternacht inquiriert hatte, während Emil nähte und verband, trafen wir um 2 Uhr hier wieder ein." (Storm an seine Frau am 2.12.1864)
  • ich plätschre nur so in Kriminalsachen: zwiefache Brandstiftung durch ein l3jähriges Mädchen, Schwindelei, Betrug, versuchter Giftmord, Moorbrände, Holzdiebstähle; dazu haben sie Brade in Schwabstedt fast totgeschlagen." (Storm an seinen Sohn Hans am 6.8.1865)
  • Ein junger Mann, der sich durch Liebschaften und Schulden sein Leben anscheinend zerrüttet hat, war seit einigen Tagen verschwunden. Ich ließ alle Trinkgruben u. Brunnen d. Dorfes absuchen, heut ist er in Rantrum tot in einer Trinkgrube gefunden, die Frau ist schwanger. Gestern um 9 Uhr kam ich von jener traurigen Fahrt zurück. Es war der Leichnam eines stattlichen jungen Mannes, der am Rand der öden Mergelgrube lag. Von dort fuhren wir nach Rantrum und ich vernahm zuerst s<eine> schwangere junge Frau, die er nicht geliebt, aber geheiratet hatte, um mit Beihülfe ihres Geldes den väterlichen Besitz auf(b)essern zu können u. dann das bezaubernde in süßester Jugendfrische blühende Kind, die er schon, das sie noch fast ein Kind gewesen, geliebt und um die er sich, mir ganz unzweifelhaft, den Tod gegeben."
    (Storm an seine Frau Do im März 1866/Kern der Novelle ,,Draußen im Heidedorf", 1872)
  • ,,Ich habe... eine solche Masse von Kriminalgeschichten, daß ich jeden Tag bis abends inquiriere; vor ein paar Tagen gelang es mir durch eine bloß auf das Indizium einer Wagenspur begründete Haussuchung die Südermarsch-Schafdiebe zu er-tappen;..." (Storm an seinen Sohn Hans am 1.2.1867)


Erstdruck der Novelle in "Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft", Leipzig 1872

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