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Unterrichtsprotokolle
Entstehung der Novelle Storm hat die Arbeit an der Novelle Ende 1871 oder Anfang 1872 begonnen. Eine erste Erwähnung tritt am 29.1.1871 in einem Brief an Sohn Ernst zutage:
Von fleißiger, immer wieder neu einsetzender und verbessernder Arbeit an der Novelle zeugen die Handschriften, als Beispiel die Namensgebung der verführerischen Hebammentochter:
Die Tendenz, schärfere Konturen zu zeichnen und die fremdländische Herkunft des Mädchens zu betonen, zeigt sich auch sonst:
Die fremdländische Herkunft der Hebammentochter wird von Fassung zu Fassung stärker betont, und der Kontrast zwischen dem Slowakenmädchen und den alteingesessenen Bauern wird immer deutlicher und schärfer herausgebildet.
Am 1.3.1872 scheint Storm das Manuskript fertiggestellt und an Julius Rodenberg, den Herausgeber der Monatsschrift "Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft" abgeschickt zu haben. Jedenfalls wird in einem Brief an Rodenberg vom 2.3.1872 eine zu erfolgende Änderung des Manuskriptes erwähnt: "Ich fühle hinterher, daß die Figur der Küsterin und ihre etwas vulgäre Redeweise nicht in die Stimmung des Ganzen, namentlich der betreffenden Situation paßt. Ich hoffe, Ihnen in spätestens 2 Tagen die Scene glücklich umgearbeitet nachsenden zu können. Der Küster dürfte allerdings mit der Frau, die er jetzt bekommt, weniger zufrieden sein." Am 3.3.1872 wird die endgültige Fertigstellung der Novelle in Storms Brieftagebuch festgehalten: "Heute die Novelle 'Draußen im Heidedorf' völlig beendet. Nachtrag an den Salon gesandt." Der Nachtrag dokumentiert das Bemühen des Dichters um einen möglichst kühlen, nüchternen und ruhigen Erzählton. Dieser darf als das besondere Merkmal der Novelle angesehen werden Handlungsräume der NovelleVorbild für die Novelle "Draußen im Heidedorf" von Theodor Storm war ein Fall, den Storm während seiner Amtszeit als Landvogt 1866 behandeln musste. Ein junger Mann, der aus dem Dorf Rantrum stammte, war seit einigen Tagen vermisst worden. Der herbeigerufene Landvogt Storm ließ daraufhin alle Trinkgruben und Brunnen des Dorfes durchsuchen, und bald fand man den Leichnam am Rande einer Mergelgrube. Während eines anschließenden Verhörs mit der schwangeren jungen Frau des Toten, klärte sich der Tatzusammenhang: Ihr Ehemann war schon seit jeher in die junge Tochter der Hebamme verliebt, musste jedoch seine Ehefrau heiraten um den väterlichen Hof vor dem Bankrott zu retten. Die Liebe zwischen den beiden erlosch trotz der Heirat nicht und so wurde der junge Mann aufgrund seiner Hoffnungslosigkeit in den Tod getrieben. Der Handlungsraum der Novelle lässt sich aufgrund zahlreicher örtlicher Beschreibungen sehr präzise bestimmen. Da Storm einen Fall aus seiner Amtszeit als Landvogt beschreibt, kann man daraus schließen, dass sich die Vogtei des in der Novelle erwähnten Amtsvogts ebenfalls in Husum befindet.
Der weitere Handlungsraum lässt sich so der östlich von Husum gelegenen Geest- und Heidelandschaft, mit den Dörfern Ostenfeld, Wittbek, Schwabstedt und Rantrum zuordnen (Textbeleg. "Etwa ein halbes Jahr danach wurde in der Amtsvogtei der Tod des Eingesessenen Hinrich Fehse zur Anzeige gebracht, der in einem der Ostdörfer eine große, aber, wie mir bekannt war, stark verschuldete Bauernstelle besaß."). Dieses Gebiet war Theodor Storm während seiner Amtszeit als Landvogt sehr gut bekannt und er konnte es somit in seiner Novelle sehr genau beschreiben.
Einen weiteren Anhaltspunkt für die Zuordnung des Handlungsraumes bietet die Erwähnung des Wilden Moores in der Novelle (Textbeleg: "Aber die Gegend wurde anders; die bewachsenen Wälle mit den bebauten Feldern dahinter hörten auf. Statt dessen fuhren wir hart am Rand des sogenannten ‘wilden Moores’ entlang, das sich derzeit, so weit der Blick reichte, nach Norden hinauszog....."). Das Wilde Moor erstreckt sich auf einer Fläche von über 40 Quadratkilometern östlich von Ostenfeld und Schwabstedt bis zur Treene hin.
Die Zeit der Handlung
Die Erzählte Zeit läßt sich auf knapp ein Jahr fixieren. Die haben wir durch genauere Recherche in der Novelle "Draußen im Heidedorf" als Ergebnis festgestellt. Die Novelle beginnt an einem Herbstabend in der Amtsvogtei. Die nächste Zeitangabe in der Novelle stellt den gleichen Standort ein halbes Jahr später dar. Der Frühling ist somit die Jahreszeit, in der die Handlung stattfindet. Der weitere Verlauf der Handlung findet in dem Zeitraum zwischen Frühling und Sommer statt. Der Sommer beginnt nach circa zwei Dritteln der Novellenhandlung. Darauf folgt der nächste Hinweis auf den November. Dies ist der letzte zeitliche Anhaltspunkt in der Novelle; also dauert die Handlung von November bis November des Folgejahres. Den Stoff für die Novelle hat ein Fall aus der juristischen Praxis des Dichters geliefert, der fast 6 Jahre zurücklag. Im März 1866 war Storm als Landvogt mit einer Vermißtenanzeige und einem Selbstmord in Rantrum, einem Dorf südöstlich von Husum, befaßt. Storm übte von 1864 bis 1867 das Amt des Landvogts von Husum aus. Die für die Novelle verwendeten Vorgänge hat Storm Anfang April 1866 in einem Brief an Doris Jensen geschildert. Daraus lässt sich die Zeit der Handlung noch genauer festlegen. Die Novelle "Draußen im Heidedorf" spielt also im Jahre 1866.
Die Personen im DorfWir haben uns mit den Personen und dem sozialen Gefüge im Dorf, mit der Funktion der Ehe und der Bedeutung von Besitz in der Novelle "Draußen im Heidedorf " von Theodor Storm beschäftigt. In der Novelle "Draußen im Heidedorf " gibt es sechs zentrale Personen. Der Amtsvogt, der Erzähler in der Novelle, hat einen hohen sozialen Status und wird von allen Menschen im Dorf respektiert. Als neutrale Person im Dorf versucht er durch Diplomatie die Streitigkeiten im Dorf zu schlichten. Der junge Hinrich Fehse kann nach dem Tod seines Vaters den Hof nicht halten und ist gezwungen, eine wohlhabende Frau namens Ann-Marieken zu heiraten, obwohl er sie nicht liebt. Seine Mutter, die alte Frau Fehse, nimmt sich Ann-Marieken und des gemeinsamen Kindes an. Hinrich Fehse ist allerdings Margreth Glansky, einer Hebammentochter, verfallen, die ihn jedoch nicht liebt. Margreth ist nicht wohlhabend, und deshalb sind die Menschen und besonders die Frauen aus dem Dorf gegen sie. Hans Ottsen, ein reicher Bauernsohn, interessiert sich ebenfalls für Margreth, heiratet allerdings nach dem Selbstmord von Hinrich Fehse Ann-Marieken und übernimmt den Hof der Fehses. Der Küster kümmert sich um die wirtschaftliche Lage des Hofs und sorgt für die Eheschließung zwischen Hinrich und Ann-Marieken. Die Frau des Küsters liefert wichtige Informationen über die Beziehungen zwischen Hans Ottsen, Margreth und Hinrich Fehse, die sie dem Amtsvogt mitteilt. Im 19. Jahrhundert wurde selten aus Liebe geheiratet, sondern meistens aus wirtschaftlichen Gründen, um den Fortbestand des Hofes zu sichern, wie es bei Hinrich Fehse und Ann-Marieken der Fall ist. Dieses Bild der Ehe ist zur Zeit des Geschehens ein allgemein gültiges Bild und eine durchaus gängige Methode zur Stabilisierung der ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Frauen wurden meist unwissend in die Ehe geschickt und konnten sich ihren Partner nicht aussuchen, sondern mussten sich dem Willen der Eltern fügen. Ann-Marieken wurde ebenfalls von ihrem Vater verheiratet. Der Besitz von Reichtum, Haus und Hof ist ausschlaggebend für die soziale Stellung einer Familie im Dorf. Es ist wichtig die Tradition fortzusetzen und den Hof möglichst in Familienbesitz zu halten um den sozialen Status halten zu können. Menschen ohne Besitz und ohne eine gute soziale Stellung wurden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Hinrich Fehse Hinrich Fehse ist ein junger Heidebauer. Sein Äußeres wird von dem Erzähler als unattraktiv beschrieben. Er hat "blondes, krauses Haar", das über den "breiten Stirnknochen" liegt und seine "tiefliegenden grauen Augen" verdeckt. Es liegt etwas "Brütendes in seinem Gesicht". Als ältester Sohn erbt er nach dem Tode seines Vaters den großen, jedoch stark verschuldeten Hof. Um diesen halten zu können, heiratet er Ann-Marieken, die Tochter eines wohlhabenden Hufners, von der er auch ein Kind hat, über das er sehr glücklich ist. Trotzdem begehrt er Margarethe Glansky, die Tochter der örtlichen Hebamme. Für sie stiehlt er die Rosen der Nachbarin, woraufhin er von Hans Ottsen "Rosenhinrich" genannt wird und sich mit ihm schlägt. Hinrich Fehse kann nicht einsehen, dass seine Liebe zu Margarethe jeglicher Vernunft widerspricht. Immer wieder versucht er, sie für sich zu gewinnen und gibt sich keine Mühe, dieses geheimzuhalten. Er zeigt deutlich, dass er der Hebammentochter verfallen ist. Der Heidebauer entwendet seiner Frau Geld, um mit Margarethe nach Amerika auszuwandern. Als das Mädchen sich nicht darauf einlassen will, verzweifelt er. Er sieht in einem Leben ohne sie keinen Sinn mehr und begeht Selbstmord. Hans Ottsen Hans Ottsen ist der Sohn des reichen Bauern Klaus Ottsen. Er ist ein sehr schlanker Mann mit braunen Haaren und trägt eine silberne Uhrkette über seiner Weste. Zu besonderen Anlässen ist Hans Ottsen mit einer blauen Jacke mit Perlmutterknöpfen bekleidet, in der er sich am Tanzabend ganz stolz präsentiert. Zu Beginn diese Tanzabends schaut der "stolze" Hans ziemlich "höhnisch auf Margreth Glansky und Hinrich Fehse herab", doch im Verlaufe des Abends "wirbt er um Margreth Glansky" und schaut sie an, als ob er die junge Frau "mit den Augen verschlingen will." Der "schmucke Hans" tanzt daraufhin den ganzen Abend mit seiner Angebetenen und besucht sie auch des öfteren im Verlauf der Novelle, was dem Hinrich Fehse missfällt. Margreth Glansky Margreth Glansky ist von "schlanker Gestalt" und trägt "städtische Kleidung" (Kleider), sowie kleine Schuhe mit roten Bandschleifen. Ihr Gesicht ist von weichen, blassen Wangen und weißen spitzen Zähnen geprägt, die von lächelnden üppigen Lippen bloßgelegt werden. Margreths schwarze Augen blitzen im blassen Antlitz, sowie ihre feine, unverschämte Stumpfnase und die starken Augenbrauen. Im Dorf promeniert sie mit seidenen Jacken und goldenen Vorstecknadeln, wobei ihr verführerischer Kopf mit einem schwarzen Kopftuch bedeckt ist, das ihre schönen schwarzen Zöpfe umhüllt. Margreth Glansky ist Tochter einer Hebamme, die sie in die Stadt geschickt hat, von wo sie aber vor einem halben Jahr wieder ins Dorf zurückgekehrt ist; alle wissen von ihrem Verhältnis mit dem verheirateten Hinrich Fehse. Seit ihrer Rückkehr ins Dorf "sitzt ihr Anbeter Hinrich Fehse fast alle Abende bei den Hebammenleuten" und stellt Margreth ständig nach. Am Tanzabend erscheint sie als "Slovakendirne mit Kranz" und wird deshalb von Hans Ottsen als "Slovakenmargreth" bezeichnet. Im Verlauf des Abends ignoriert das "Hebammenfräulein" einfach das Werben von Hinrich Fehse und "tut so, als hätte es ihn nie auf der Welt gegeben", da er dem Hans Ottsen einen Faustschlag versetzt hat. Trotz allem gefällt es ihr aber, dass ihr Hinrich Fehse hinterherläuft, damit sie die junge Frau ärgern kann, die inzwischen mit ihm verheiratet ist. Seitdem ihr Hans Ottsen den Kopf verdreht hat, wird sie von den übrigen Bauern wegen ihres Lebenswandels gehaßt. Gegenüber dem Amtsvogt bedauert sie im Gespräch das Verschwinden von Hinrich Fehse kaum und gibt an, dass sie nicht wegen Hinrich aus der Stadt zurück gekommen ist, sondern weil es ihr in der Stadt nicht gefiel. Im weiteren Gespräch, wobei die Augen der Frauen und ihre in unverhohlenem Hasse aufeinanderblitzten, ist Margreth sehr verwirrt, weil sie nicht gewußt hat, daß Hinrich es so ernst nimmt. Außerdem hätte sie nicht zurück kommen sollen, da er sie ständig peinigte und eifersüchtig auf Hans Ottsen war. Schließlich sagt sie, dass sie ihn wohl eher nicht geheiratet hätte, dass die aber nun doch Angst hab, dass Hinrich Fehse sich was antut.
Anzeichen des Vampirmythos in Theodor Storms ErzählungDas Wort "Vampir" stammt aus dem slawischen Sprachraum, auch der Mythos scheint seine Ursprünge dort zu haben. Der Mythos kam ungefähr zwischen 1725 und 1738 erstmals nach Westeuropa und ist seitdem als Text vielgestaltig überliefert und begründet eine ganze Gattung der phantastischen Literatur. Vampire werden in der Literatur wie folgt charakterisiert:
Zunächst stellte man sich Vampire als halbverweste Leichen vor. Bei Exhumierungen fand man Leichen, bei denen Fingernägel, Haare und Zähne gewachsen waren, was jedoch nur auf den natürlichen Verwesungsprozess zurückzuführen ist. Diese Leichenfunde förderten den Vampiraberglauben und man sah die Toten als Beweise für die Existenz von Vampiren an. Man kann Vampire erkennen an folgenden Merkmalen oder Eigenschaften:
Das schreckenerregende Bild des Vampirs wandelte sich jedoch im Laufe der Zeit. In der Epoche der Romantik wurde der Nacht der Aspekt des Bösen und Unheimlichen abgesprochen und dadurch wurde auch das Bild des Vampirs nachhaltig beeinflusst. Ihr Äußeres erschien zunehmend anziehender und erotischer. Außerdem wurden sie oftmals als weltgewandte Wesen dargestellt. Auch in der Erzählung "Draußen im Heidedorf" hat Storm Aspekte des Vampirmythos einbezogen. Durch die Erzählinstanz des Amtsvogts beschreibt Storm Margarethe Glansky (Margreth). Der Leser findet eine Reihe von Anspielungen auf das Vampirmotiv; der Landvogt beschreibt immer wieder typische Merkmale wie spitze weiße Zähne und die blasse Gesichtsfarbe. "Bei dem Schein der Leuchte sah ich nur den unteren Teil ihres Gesichtes; aber diese weichen, blassen Wangen waren schwerlich jemals dem Wetter der ländlichen Saat- und Erntezeit preisgegeben gewesen; was mir besonders auffiel, waren die weißen spitzen Zähne, die jetzt von den lächelnden Lippen bloßgelegt wurden." Anhand dieser Formulierungen kann man davon ausgehen, dass Storm die Vampirlegenden gekannt und bewußt in der Novelle verwendet hat. Zu bemerken ist noch, dass nur dem Landvogt diese Merkmale an Margreth auffallen, denn die Vampirsagen waren zur Entstehungszeit der Novelle nur belesenem und gebildetem Publikum bekannt, da es sich nicht um einheimische Erzählungen handelte. Margreth verkörpert eher den anziehend wirkenden Vampirtyp. Ihrer erotischen Ausstrahlung kann sich auch der Landvogt nicht verschließen. "Jetzt bog sie sich über den Rand des Sitzes zu ihm herab; ich sah ein Paar dunkle Augen in dem blassen Antlitz blitzen, und die weißen Zähne wurden wieder sichtbar zwischen den üppigen Lippen." "Ich konnte nicht zweifeln, wen ich vor mir hatte; zum ersten Mal sah ich den verführerischen Kopf jenes Mädchens unverhüllt." "’Nun, und wenn’s auch wäre!’ rief sie und warf trotzig ihre roten Lippen auf." Die Verknüpfung der Figur der Margreth mit Vampirmerkmalen hat auch eine Funktion innerhalb der Erzählung. Wie man einen Vampir auch oft mit einem Dämonen, von dem jemand besessen sein kann, identifizieren kann, so kann man auch Margreth etwas Dämonisches zuordnen, da Hinrich vollständig von ihr besessen ist und daran zugrunde geht.
Die Darstellung des Gespenstischen durch die unterschiedlichen ErzählerIn der Novelle "Draußen im Heidedorf" weist die Darstellung des Gespenstischen durch die verschiedenen Erzählinstanzen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Der Amtsvogt, der als Erzähler der Novelle fungiert, differenziert in den einzelnen Szenen sehr stark zwischen den visuellen und den akustischen Eindrücken. Er erzeugt in der ersten Szene durch den Vergleich von Handlaternen mit wankenden Irrlichtern und durch die Erwähnung von dunklen Gassen den Eindruck eines diffusen Lichtes, welches ihn nur Teile der Gesichter der agierenden Personen erkennen läßt. Weiße spitze Zähne und aufblitzende Augen veranlassen ihn zu einer Dämonisierung einer Person zum Vampir. Zu dieser lautlosen Szenerie fügt er plötzliche laute bedrohliche Geräusche hinzu, wie das "ingrimmige" Knallen mit der Peitsche, den Aufschrei der Frau und das Rasseln der Kutsche auf den Pflastersteinen. Diese aufschreckend wirkende Handlungsabfolge wird in eine völlig menschenleere Stille aufgelöst, die die ganze Szene als unwirklich erscheinen läßt. "Wie ein Schattenspiel war alles vorüber". Auch während der Fahrt zum Hof der Fehses erzeugt der Amtsvogt eine gespenstische Atmosphäre, indem er seine visuellen Eindrücke schildert, die er am Rande des Moores gewinnt. "Es schien hier, als sei plötzlich der letzte Sonnenschein, der noch auf Erden war, von dieser düsteren Steppe eingeschluckt worden." Dieses poetische Bild erweckt den Eindruck, hier würde mit einem Mal eine andere Welt beginnen, wo niemals die Sonne scheint. Der Erzähler beschreibt die typische Moorlandschaft mit dem schwarzbraunen Heidekraut, den größeren und kleineren Wassertümpeln und den Torfhaufen. Letztere müssten eigentlich die ganze düstere Wirkung der leblose Szenerie abschwächen, weil diese auf Menschen hinweisen, aber durch das bedrohlich wirkende Herausragen der Haufen aus der öden Fläche wird dieser Eindruck wieder aufgehoben. Dem Amtsvogt fällt die Sage vom weißen Alp ein, welcher aber nicht im Moor zu Hause ist. "Aber zu anderen, nicht minder unheimlichen Dingen verdichteten sich auch die Dünste dieses Moores, denen manche, besonders der älteren Dorfbewohner, Nachts und im Zwielicht wollten begegnet sein". Er spricht vom Nebel, der die Leute dazu verleitet, sich unheimliche Dinge einzubilden. Durch Wörter wie Nacht, Zwielicht, düstere Steppe, Wassertümpel und öde Flächen schafft der Amtsvogt eine scheinbar einsame und unwirkliche Welt. Die Stille dieser Szenerie wird nur durch einen vereinzelten Laut wie den melancholischen Schrei des großen Regenpfeifers durchbrochen. Auch das schafft den Eindruck einer beängstigenden Öde, noch verstärkt durch die Beobachtung, dass dieser Vogel einsam darüber hinfliegt. Die Empfindung, der Vogel habe sich verirrt, überkommt den Leser. Auf dem Fehseschen Hof beginnt der Amtsvogt erneut mit dem visuellen Eindruck, nachdem das Verhör Margarethes abgeschlossen ist. Zuerst beschreibt er die Lichtverhältnisse. Es herrscht Dämmerung und nur noch ein schwacher Abendschein am Horizont ist zu erkennen. Weiter beschreibt der Amtsvogt die Landschaft. Die Bäume im Garten erscheinen schwarz und "über dem Moor aber zogen die Nebel wie Schleier", also so dicht, daß kaum noch etwas anderes zu erkennen ist. Die unheimliche Szenerie wird noch verstärkt durch das Anzünden von zwei Talgkerzen, die nur wenig Licht spenden und Schatten an die Wand malen. Nun erhebt die Bäuerin "drohend ihren dürren Finger". Anscheinend assoziiert der Amtsvogt diesen mit einem Hexenfinger. Margarethe beschreibt er "leblos mit ihrem kreideweißen Gesicht und den roten Lippen" und vergleicht sie mit dem weißen Alp. Diese gespenstische Szenerie wird noch dadurch verstärkt, dass der Amtsvogt, obwohl er ein gebildeter Mann ist, plötzlich den Drang verspürt, Margarethe zu beschuldigen, sie hätte Hinrich Fehse die Seele ausgetrunken. Das bewirkt bei dem Leser, dass er diese Frau als unheimlichen Vampir wahrnimmt. Nach diesen ausschließlich visuellen Eindrücken fügt der Erzähler eine Geräuschkulisse hinzu. Der Amtsvogt erzählt von bedrohlich wirkenden akustischen Signalen, wie das dumpfe Rumpeln des Wagens, das Knarren der Stubentür, das laute Klagen der Frauen. Der Leser nimmt hier eine Erwartungshaltung ein: Was mag jetzt kommen? Die Spannung wird noch erhöht durch die lauter werdenden Geräusche (das Rumpeln des Wagens kommt näher). Das gespenstische der Szene wird nun durch die Beschreibung des Mädchens fortgeführt, das wie in Trance mit aufgerissenen Augen aus dem Fenster starrt und sich gleich einer Schlange von ihrem Platz erhebt und mit offenem Mund stehenbleibt. Dieser Trancezustand wird von dem trüben Mondlicht, welches durch die Scheibe fällt, untermalt. Weiter beschreibt der Amtsvogt die Szene mit dem dröhnend auf die Tenne fahrenden Wagen, wieder ein bedrohliches Geräusch, welches urplötzlich von einer lautlosen Stille abgelöst wird. Dieser Gegensatz erzeugt eine unheimliche Spannung. So plötzlich wie die Stille eingetreten ist, so plötzlich wird sie auch beendet durch laute Männerstimmen, die abgelöst werden von dem Zetergeschrei der Frauen. Und wieder lenkt der Amtsvogt das Augenmerk des Lesers auf das Mädchen, welches "noch immer wie versteinert in die leere Nacht hinaus starrte." Er beschreibt weiter ihren unheimlichen Trancezustand, wie sie den Hof hinab schreitet mit dem Kopf im Nacken mit aufgehobenen Armen zu laufen anfängt, als sei jemand hinter ihr, dem sie entrinnen müsste und wie sie schließlich in dem weißen Nebel verschwindet. Auffällig ist, dass der Amtsvogt in Bezug auf Margarethe sehr viele Vergleiche benutzt, die ihre unheimliche Ausstrahlung noch unterstreichen. Der Amtsvogt arbeitet also sehr differenziert mit visuellen und akustischen Eindrücken und mit Vergleichen, wobei das Licht eine besondere Rolle spielt. Das Unheimliche in Margarethes Erzählung wird im Gegensatz zu der des Amtsvogts anders erzeugt. Sie beginnt damit, dass sie Hinrich Fehses Stimmungen und Verhaltensweisen beschreibt, die so plötzlich wechseln. Dadurch gewinnt der Leser den Eindruck, Hinrich sei verwirrt. Dabei untermalt sie ihre Beschreibung noch mit Vergleichen, zum Beispiel erzählt Margarethe, sie habe Hinrich aufgefordert zu gehen. Er aber stieß nur ein höhnisches Lachen aus und sah sie mit kleinen Augen an, als wollte er ihr damit eines Leides tun. Und dann plötzlich fasste er sie an die Schulter und sah sie an wie unsinnig vor Freude. Oder Hinrich fing an mit Kreide auf den Tisch zu stricheln. Er tat das so hastig, dass ihm heiß um den Kopf wurde. Aber dann sah er sie schweigend an und erschien ihr still und weich. Nachdem Margarethe nun dem Leser den Eindruck vermittelt hat, Hinrich sei verwirrt, beginnt sie mit der Erzählung von dem Abend vor dem Verhör. Zuerst beschreibt sie das stürmische Wetter. In ihrer Angst meint sie, jemanden um das Haus gehen zu hören. Auch den Leser packt diese unheimliche Stimmung. Margarethe tritt aus der Tür und beschreibt die Umgebung. Es ist kein Mondschein und es ist nachthell. In dieser Dunkelheit sieht sie die Kreuze auf dem Friedhof. Auch mit dem Friedhof assoziiert der Leser eine unheimliche Atmosphäre. Nun sieht Margarethe Hinrich sprachlos am Zaun stehen. Plötzlich ergreift er sie bei der Hand und sagt schwer, er müsse ein Ende machen. Dieses Festhalten der Hand erscheint wie eine Bedrohung Margarethes, vor allem weil sie noch hinzufügt, er komme ihr so seltsam vor, als stünde ein fremder Mann vor ihr. Der Leser spürt ihre Angst. Dann erzählt Margarethe weiter, Hinrich wollte sie umfassen, aber sie sprang zurück. Die Bedrohung wird durch das Ausweichen nun richtig deutlich. Nun wirft sich Hinrich wie unsinnig auf die Erde und spricht vor sich hin. Der Eindruck des verwirrten Verhaltens scheint jetzt bestätigt zu sein. Die ganze Szene untermalt Margarethe noch, indem sie von dem lauten Heulen des Sturmes um den Kirchturm erzählt und von dem Wind, der ihre Kleider fliegen lässt. In diese unheimliche Atmosphäre dringen jetzt laute Stimmen vom Friedhof her, die auf Hilfe hoffen lassen. Als sich Margarethe jedoch umdreht, steht Hinrich vor ihr, legt ihr seine Hand auf den Mund, was ihr vor Angst fast die Kehle zuschnürt. Das Mädchen steht als wehrlose, hilflose Frau da, die von einem gewalttätigen, unzurechnungsfähigen Mann bedroht wird, so scheint es dem Leser. So fasst Hinrich sie mit beiden Händen und fordert sie auf ihn zu küssen. Auch die sich ändernden Verhaltensweisen erzeugen den Eindruck einer wirklichen Bedrohung. So stößt er das Mädchen plötzlich von sich, ruft zornig ihren Namen. Die Szene steigert sich immer mehr, indem Hinrich an ihren Zöpfen zerrt, seine Augen funkeln und der Sturm Margarethe fast die Kleider vom Leibe reißt, so erzeugt diese Darstellung den Eindruck eines gefährlichen, triebhaften Mannes. Schließlich verflucht Hinrich das Mädchen, welches einen Schrei ausstößt. Sie glaubt, er wolle sie würgen und rennt in ihrer Todesangst davon. Weiter beschreibt Margarethe, sie sei zum Fehseschen Hof gegangen, um zu schauen, ob Hinrich dort sei. Sie guckt durch das Fenster und sieht Hinrich im Bett schlafen. Mit einem Male aber richtet er sich auf und stiert mit den Augen auf sie zu, als sei der Fluch wahrhaftig, den Hinrich ausgesprochen hatte. Aus Angst läuft Margarethe nun nach Hause über den Friedhof, welcher diese gespenstische Atmosphäre noch verstärkt, denn um den Turm pfeift der Wind und es heult. Margarethe graust es, denn sie erinnert sich an den Spruch, dass die Toten dann aus den Gräbern schreien. Margarethe erzeugt also durch die Beschreibung Hinrichs als verwirrten, sie bedrohenden Mann und durch die Erwähnung des Friedhofs eine unheimliche Stimmung. Die alte Bäuerin Fehse erzeugt die unheimliche und gespenstische Stimmung ähnlich wie der Amtsvogt, indem sie auch viel auf das draußen tobende Unwetter hinweist und somit auch die akustischen Eindrücke mit einfließen lässt. Sie beschreibt den letzten Abend, an dem Hinrich lebend gesehen wurde, "er schlief wohl nicht, denn er warf sich fleißig herum und stöhnte auch wohl so vor sich hin". Draußen wütet das laute Unwetter, als sie plötzlich Geräusche vor dem Fenster hört: "Es drückte sich was unter das Fenster und es rutschte, als scheuere ein Zottelpelz an der Mauer lang". Sie erwähnt dann auch Hinrich, der "tot und glasig" das Fenster anstarrt und kommt damit zum Ende, dass sie das "Tier", das durch den Fensterladen lugt, für den Leser eindeutig identifiziert: "ich sah ganz deutlich die weißen, spitzen Zähne und die schwarzen Augen!" Sie vergleicht also Margarethe mit einem bedrohlichen, großen Tier, wie etwa einem Wolf, und erzeugt dadurch beim Leser eher unangenehme Assoziationen, die eine ebenso unangenehme Stimmung hervorrufen. Mit der zusätzlichen Aussage "Es mag auch wohl kein rechter Wolf gewesen sein", hinterlässt sie beim Leser eine gespenstische Ungewissheit. Bei der alten Fehse steuert also die Dämonisierung Margarethes, ähnlich wie in der Beschreibung des Amtsvogtes, viel zu einer gespenstischen Stimmung bei.
Theodor Storm – Draußen im Heidedorf (Film) Beim Vergleich des Novellentextes mit dem gleichnamigen, 1980 in der Deutschen Demokratischen Republik entstandenen Film fällt zunächst die unterschiedliche Erzählstruktur auf. Die Novelle beginnt z.B. mit einer Szene, in der der Amtsvogt Personen in einer Seitenstraße der Stadt beobachtet. Die gesamte Novelle wird aus seiner Perspektive erzählt. Erst im weiteren Verlauf werden die Personen der Geschichte zu eigenständigen Charakteren, um die sich schließlich die Handlung dreht. Im Film wird diese allmähliche Aufschlüsselung der Novellenhandlung vorweggenommen. Er beginnt mit der Jugend und beginnenden Liebe der beiden Hauptdarsteller Hinrich Fehse und Margreth Glansky. Dadurch gerät der Film in Beziehung zur Novelle ins Hintertreffen. Im Gegensatz zum Novellentext wird die Geschichte kontinuierlich erzählt und nicht, wie in der Novelle, verschachtelt. Diese Verschachtelung wird deutlich, als der Amtsvogt im Heimatdorf der Fehses angekommen ist und er in das Haus des Küsters kommt, wo die Frau des Küsters das Wort ergreift. Dies geschieht in direkter Rede. Durch filmische Mittel, wie Projektion von Gesichtern, Fokussieren oder Hintergrundmusik, schafft es der Film, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu lenken. Diese Rolle übernimmt in der Textvorlage die Erzählinstanz. Die Dämonisierung Margreths und die Spukgeschichte vom "Weißen Alp", einem Moorgespenst, werden im Film verändert oder gar vernachlässigt. Es kommt auch dazu, dass das Rätselhafte an der Spukgeschichte völlig verschwindet. Dies geschieht dadurch, das sie nicht wie in der Novelle vom Amtsvogt, sondern vom Totengräber des Dorfes erzählt wird. Wir vermuten, dass dieser Personenwechsel deshalb durchgeführt wurde, weil einem Amtsvogt in dem sozialistischen Milieu der DDR solche Märchen nicht zugetraut wurden. Er durfte wahrscheinlich nicht zum "Spökenkieker" degradiert werden. Der Totengräber des Dorfes hingegen eignet sich hervorragend für diese Spukgeschichte, weil man von ihm fast erwartet, dass er solche Geschichten verbreitet. Szenenvergleich
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