Internationale Storm-Tage 2010
Internationale Storm-Tage, Husum 2010
Internationale Storm-Tagung 2010
(Husum, 10. - 12. September)
Der Schwerpunkt der Internationalen Storm-Tagung 2010 war durch die Veröffentlichung von Gerd Eversbergs Buch „Der echte Schimmelreiter. So (er)fand Storm seinen Hauke Haien" (Heide, 2010) gegeben. Dieses Buch, in dem der Autor allen Hinweisen aus der Novelle nachgeht, hilft dem Leser, die Schimmelreiter-Biografie des Schulmeisters in der konkreten nordfriesischen Wirklichkeit zu verankern. Auf dem Buchrücken steht zu lesen:
„Eversberg spannt seinen Bogen von der Jugend Theodor Storms bis in die letzten Lebensmonate, in denen der Husumer Dichter noch selber die Korrekturen für sein „Schimmelreiter"-Buch las. Neben der Geschichte des Deichbaus werden die Landschaft Nordfrieslands und die kulturellen Besonderheiten zwischen Marsch und Geest ausführlich geschildert. Das reich bebilderte Buch dokumentiert den lebenslangen Prozess von Stoffaneignung und Recherche sowie den Schreibprozess als Vollendung eines produktiven Dichterlebens."
Das Erdichtete von den Realien, in die die (fiktive) Biografie eingebettet ist, zu trennen, trägt dazu bei, dem Dichter über die Schulter zu schauen und zu verfolgen, wie er sein Werk konzipiert, seine Recherchen und seine Forschungsarbeit gewichtet und sie zu einem stimmigen Ganzen fügt. Diese Ebene ernst zu nehmen, bedeutet auch verstehen zu wollen, wie maßgeblich es für Storm war, die Illusion des Historischen entstehen zu lassen und zugleich zu demonstrieren, dass die Biografie des Deichmeisters als ein Stück Literatur zu lesen und zu interpretieren ist. Da es sich beim „Schimmelreiter" um Storms gelungenstes und um dessen komplexestes Werk handelt, ging es bei den Beiträgen der Tagung darum, die vielfältigen Facetten - die geahnten wie die ungeahnten - des Werkes ans Tageslicht zu bringen.
Eröffnet wurde die Tagung am Freitagabend durch die Verleihung des Storm-Preises der Stadt Husum 2010 an den Germanisten Christian Demandt und an den Schriftsteller Jochen Missfeldt. Die Laudatio zur Dissertation von Herrn Dr. Demandt „Religion und Religionskritik bei Theodor Storm", erschienen 2010 in Berlin (Erich Schmidt), hielt Professor Detering, der Präsident der Storm-Gesellschaft, und die zur Storm-Biografie Jochen Missfeldts hielt Dr. Gerd Eversberg.
Gerd Eversberg stellte am Samstagvormittag in der Aula der Hermann-Tast-Schule sein Buch ausführlich vor, dessen Präsentation wurde durch die Projektion von Dokumenten und Fotos begleitet wurde. Gerade die eigens für die Veröffentlichung erstellte Landkarte mit den verschiedenen Kögen und den eingetragenen Erzählplätzen ermöglicht dem Leser, den Ablauf der Novelle konkret zu rekonstruieren. Die Erläuterungen zu den Standorten durch den Experten verdeutlicht, dass die räumliche Bedeutung der Novelle nur deshalb nachvollziehbar ist, weil sich der Dichter selbst aus eigener Anschauung auf dem Deich informiert hat. Auch der Ortskundige kann die Handlung als stimmig wahrnehmen. Dass sich Storm auch bisweilen für eine Verlegung einzelner Erzählorte, wie der des Kruges oder des Hofs Hauke Haiens zum Beispiel, entschieden hat, steht nicht im Widerspruch dazu. Es unterstreicht vielmehr, welche Sorgfalt Storm dem vorgestellten Raum entgegenbringt.
Im Rahmen des Festvortrags unterhielten sich an dem Nachmittag in der Tradition Arno Schmidts Dr. Jean Lefebvre und Dr. Eversberg über die Rahmenhandlung der Novelle, die neue Aspekte des Erzählvorgangs hervorbrachte: Die Rolle der verschiedenen Erzähler, des Deichreiters und der Urgroßmutter gegenüber dem Deichspuk stand ins besondere im Vordergrund (vgl. hinzu: „Du siehst Gespenster!...", STSG, 59/2010, S.21-43).
Am Abend las der Schauspieler Rainer Luxem unter Anteilnahme einer erfreulich zahlreichen Zuhörerschaft aus dem „Schimmelreiter". Am Sonntag fuhr ein voller Bus interessierter Stormleser, die jedem klärenden Wort von Herrn Dr. Eversberg lauschten, in die Hattstedter Marsch, um die Erzählorte in die Handlung einzuordnen und mit eigenen Augen zu erleben. Auf dem Deich mit der Wehle an der Aarlau zu stehen, war ein bewegender Augenblick, zumal wir alle natürlich die Worte der Novelle noch im Ohr hatten.
Dr. Jean Lefebvre, Büsum, den 24.12.2010