|
HandlungsräumeWenn man heute an der nordfriesischen Küste versucht, die Schauplätze zu erwandern, die Storm im 19. Jahrhundert als Vorbild, für die in der Novelle geschilderten Ereignisse dienten, so wird ganz deutlich, wie der Dichter die vorhandene geografische Wirklichkeit zu einer neuen, fiktiven Erzählwelt komponierte und umformte.
Das Dorf Hauke Haiens siedelte der Dichter am südlichen Ende der Hattstedter Marsch an, und er stellte sich vor, dass die alte Deichlinie dort läge, wo wir heute den alten Außendeich vor der Hattstedter Marsch noch vorfinden. Unter den Entwurfspapieren Stroms (vergl. das "Concept") haben sich mehrere Skizzen erhalten, die zeigen, wie sorgfältig der Autor das geographische Umfeld seiner Novellenhandlung geplant hat. In der folgenden Zeichnung sind die wichtigsten räumlichen Verhältnisse des geplanten Kooges eingezeichnet. Entscheidend war für Storm, die Himmelsrichtungen genau festzulegen, damit er die Ereignisse bei der verheerenden Sturmflut so schildern konnte, dass die erfundene Welt der Novelle mit der Wirklichkeit vor der Hattstedter Marsch so weit wie möglich übereinstimmt. Damit erfüllte Storm eine Forderung, die zu seiner Zeit an die realistische Literatur gestellt wurde. Man beachte, dass die Wehle, die er über der Nordost-Ecke andeutet, mit den wirklichen Verhältnissen an der Küste vor Hattstedt nur dann übereinstimmt, wenn man das erfundene Bild an einer West-Ost-Linie durch den Koog spiegelt. Dann deckt sich diese Landmarke nämlich mit der in Wirklichkeit an der Südost-Ecke des "Neuen Koogs" liegende Wehle. Skizze des "Hauke Haien-Kooges" in Storms "Concept" Mittlerweile ist an dieser Stelle ein neuer Koog entstanden, ein großer Außendeich verbindet das Festland mit der alten Insel Nordstrand. Storms Vision von Hauke Haiens neuem Koog ist Wirklichkeit geworden; allerdings in einer viel größeren Wasserbaumaßnahme, die heute als „Beltringharder Koog“ vor Hattstedt die Nordsee abschirmt. Karte des Küstenverlaufs (Landesvermessungsamt Schleswig-Holstein, 1962) Eingezeichnet ist der alte Küstenverlauf und die große Wehle (W). Heute liegt der „Hattstetter Neue Koog“ durch die Vordeichung („Beltringharder Koog“) nicht mehr direkt an der Nordsee Wenn man mit dem Novellentext in der Hand an dieser Stelle den Deich betritt, dann kann man genau lokalisieren, an welcher Stelle der „Schimmelreiter“ über den alten Deich hinwegjagt und wo die Arbeiter unter Hauke Haiens Anleitung den neuen Deich bauen mussten. Aber Storm hat in der Fantasie manches verschoben und gespiegelt, so dass seine neue erzählte Wirklichkeit in sich auch stimmig ist. Das ist die künstlerische Freiheit, die erforderlich ist, um eine überzeugende Welt in der Dichtung zu konstruieren, die mit der Wirklichkeit manches gemeinsam hat, die aber kein Abbild dieser Wirklichkeit sein will. Der „Schimmelreiterkrug” bei Sterdebüll im „Hattstetter Neuen Koog“ mit dem Akt, der vom Deich zum Wirtshaus hinabführt. Vorbild für das „Wirtshaus“ in der Novelle Die Stadt in der Nähe des Dorfes zeigt Züge von Storms Heimatstadt Husum; dort lässt sich auch das Haus der Urgroßmutter Feddersen identifizieren, das in der Rahmenerzählung eine Rolle spielt. Es handelt sich um das alte Bürgerhaus an der Schiffbrücke, Ecke Twiete, das allerdings vor Jahrzehnten bereits durch einen Neubau ersetzt wurde. Das Haus der Urgroßmutter Feddersen in Husum, Schiffbrücke/Ecke Twiete |
||
Nach oben |
© 2024 Theodor-Storm-Gesellschaft | Impressum