Dokument vom:
20.01.2012
Der Schimmelreiter - Hinweise zur Unterrichtsgestaltung

Hinweise zur Unterrichtsgestaltung

 

 

Inhalt:

Rezensionen

  • H. Kerber: „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. München: Park Körner. Unterrichtsvorbereitungen aus dem Computer o. J.
  • Klaus Hildebrandt: Theodor Storm: Der Schimmelreiter. München: Oldenbourg, 2., überarbeitete und korrigierte Auflage 1999, (Oldenbourg-Interpretationen, Bd, 42.)
  • Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Novelle, hg. von Johannes Diekhans. Erarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Widar Lehnemann. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh 1999.
  • Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Mit einem Kommentar von Heribert Kuhn. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1999. (Suhrkamp BasisBibliothek 9.)
  • Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Hg. von Claudia Lorenz und Christiane von Schachtmeyer. München: Oldenbourg 2000. (Lektüre, Kopiervorlagen)
  • Burkhard Seidler, Herwig Grau und Dietmar Wagner: Literaturkartei: „Der Schimmelreiter“. Mülheim: Verlag an der Ruhr 2000.

Hyperlinks zu Internet-Adressen Unterrichtsentwürfe

Rezensionen:

  • H. Kerber: „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. München: Park Körner. Unterrichtsvorbereitungen aus dem Computer o. J.

Die Diskette wird in einer Kunststoffmappe (DIN A5) geliefert und enthält den vollständigen Novellentext (nach der Reclam-Ausgabe) sowie 50 Dateien. Ein Überblick mit Hinweisen zur Arbeit mit dem Material nebst einem Datei-Verzeichnis ist auf fünf Blättern beigegeben. Die Dateien müssen in ein Unterverzeichnis der Festplatte ausgepackt werden und können dann direkt als Word-Dateien (.doc) in ein entsprechendes Textverarbeitungsprogramm eingelesen werden.

Sämtliche Dateien sind in einer Sammeldatei zusammengefasst; wenn diese eingelesen wird, öffnen sich über 150 Seiten, die man wie ein Buch durchblättern kann. Am Anfang steht der Novellentext; die Materialien und Kommentare für die Unterrichtsreihe sind wie ein Anhang oder Kommentar angefügt. Ein didaktischer Kommentar erläutert die Intentionen des Verfassers und gibt Hinweise zur Arbeit mit den Materialien. Darin heißt es: „Die Unterrichtsreihe ist so aufgebaut, dass für die Besprechung der literarischen Aspekte der Novelle keine Stundenfestlegung erfolgt, vielmehr eine Aufgliederung in Unterrichtseinheiten (UE) vorgenommen wird. Zweck dieser Anordnung ist die Absicht, den pädagogischen Rahmen des Lehrers nicht unnötig festzulegen und damit einzuschränken. Die einzelnen Unterrichtseinheiten sind aber, wo es sich von der Sache her nahe legt, in aufeinanderfolgende Unterrichtsschritte gegliedert, so dass sich daraus die Gesichtspunkte für den Unterrichtsverlauf ergeben. Es kann so durchaus der Stoff einer Unterrichtseinheit (UE) je nach den Voraussetzungen der Schüler und der Einschätzung des Lehrers auf mehrere Unterrichtsstunden verteilt werden. Auch besteht die Möglichkeit, aus dem Angebot alternativ die Elemente zu verwenden, die für den Lehrer der gewünschten Intensität und dem Leistungsvermögen der Klasse zu entsprechen scheinen.“ Dies ist vor allem bei der Besprechung der formalen Aspekte (SCHICHTE.* , RAHMEN.* , ZAESUREN.* , ERZLMET.* ), aber auch bei der Behandlung von Haukes Auseinandersetzung mit den natürlichen, psycho-sozialen und den gespensterhaft-dämonischen Faktoren (ORDCHAOS.* , DAEMON.* , NATUR.* ) möglich. Diese methodische Aufarbeitung des Stoffes wird in den Dateien mit der Bezeichnung *.DID vorgestellt.

Diese Präsentation setzt schon eine gewisse Erfahrung mit dem Medium voraus, da - anders als in einem Buch - Inhalt, Gliederung und spezifische Zuweisung einzelner „Seiten“ (hier „Dateien“) zu bestimmten Themen überlagert werden durch Dateitypen, die von pragmatischen Differenzierungen bestimmt werden. Konkret bedeutet das ein Nebeneinander von Texten, Erläuterungen für den Lehrer und Arbeitsmaterialien für die Schülerhand, z. B. Arbeitsblätter, Lösungsvorschläge sowie Graphiken und Tafelskizzen. Diese Einzeltexte lassen sich nach Filetypen in den Dateinamen unterscheiden und identifizieren. Der sachlogische Aufbau ist dem didaktischen Kommentar nachgestellt und entspricht dem Inhaltsverzeichnis des Kommentarteils:

0. Geographischer Schauplatz, Küstenschutz an der Nordsee

1 Die Erzähler und die Rahmen 1.1 Die Erzähler und die Erzählschichten

1.2 Die Rahmen

2 Die Figur Hauke Haiens und dessen soziales Umfeld

2.1 Haukes Jugend

2.2 Hauke im Dienst des Deichgrafen

2.3 Der Deichbau - Haukes Lebenswerk

2.4 Der Aberglaube im Dorf

2.5 Die Begegnung der Menschen mit der Natur

2.6 Hauke Haiens Grenzsituation zwischen den Bereichen Chaos und Ordnung - Die Verteufelung (Dämonisierung) Haukes

2.7 Haukes Krankheit und Untergang

3 Die Zäsuren und die Erzählmethode

3.1 Die Zäsuren und deren Funktion

3.2 Die Erzählmethode

4. Leben und Werk Theodor Storms

5. Gattungstypologie und Realismus

5.1 Gattungsmerkmale der Novelle

5.2 Die Epoche des Realismus

6. Quellen

6.1 Historische Ereignisse

6.2 Historische Persönlichkeiten

6.3 Sagen

Man tut gut daran, zunächst den gesamten Anhang der vollständigen Dateien durchzublättern, um einen Überblick zu gewinnen. Danach muss der Lehrer ein eigenes Konzept für seinen Unterricht entwickeln und sich dafür die entsprechenden Materialien aussuchen. Am besten geht das, wenn er sich die entsprechenden Seiten einmal ausdruckt und dann mit Hilfe der beiliegenden „Kurzbeschreibung des Inhalts“ diejenigen Dateien auswählt, von denen er Schülermaterialien erstellen will. Ein solches Verfahren entspricht demjenigen bei der Benutzung von didaktischen Kommentaren, denen Arbeitsblätter beigegeben sind.

Durch die Linearität der Dateipräsentation in der Gesamtdatei ist das Arbeiten mit Einzeldateien zwar nach logischen Überlegungen möglich, die Präsentation zeigt aber gegenüber einer CD-ROM deutliche Schwächen, da es keine direkten Verknüpfungen gibt.

Ein vollständiger Ausdruck des Kommentars erweist sich als sinnvoll, da das Blättern in einer umfangreichen Datei sehr anstrengend ist.

Eine Überprüfung einiger Dateien von Arbeitsblättern zeigt, dass eine Anpassung an das jeweils verwendete Seitenlayout vorgenommen werden muss, was zeitaufwendig sein kann.

Das Literaturverzeichnis weist auffällig wenig Sekundärliteratur nach; die gesamte literaturwissenschaftliche Erforschung der „Schimmelreiter“-Novelle bleibt auch innerhalb der sachlichen und didaktischen Kommentare unerwähnt; innerhalb der Materialien findet sich lediglich ein längerer Storm-Essay von Winfried Freund (vom Reclam-Verlag übernommen); die Quellen lassen eine intensive Verwendung des von Karl Ernst Laage erarbeiteten Kommentars zum „Schimmelreiter“ vermuten, was aber nicht ausgewiesen wird.

So ist es wenig verwunderlich, dass einige Stellen der sachlichen Erläuterungen hinter dem Kenntnisstand der Storm-Forschung zurückbleiben. So findet man in der Datei RAHMEN.TXT eine Gleichsetzung des Autors mit den beiden Rahmenerzählern der Novelle.

In der Datei ABERGLAU.DID.DOC über den Aberglauben im Dorf findet eine starke Verkürzung dieses Aspekts der Novelle statt; der Verfasser geht von einer eindeutigen Trennung von Rationalität und Aberglauben aus und begründet dies mit dem pädagogischen Argument: „Angesichts der Tatsache, dass der Aberglaube seit einigen Jahren wieder gute Konjunktur bei uns hat, ist diese UE [Unterrichtseinheit] mit besonderer Aufmerksamkeit anzugehen: Esoterik, Magie, Okkultismus, Spiritismus, Satanismus zeigen sich als z.T. negative Begleiterscheinungen eines neuen Paradigmas der Welterklärung. Im Gefolge der New-Age-Bewegung tauchen auch in Schülerkreisen wieder Praktiken auf, die Aufklärungsoptimisten überwunden glaubten: Tischhüpfen, Gläserrücken, Tonbandstimmen, Horoskope, Kartenlesen, Wahrsagen, Heilen durch Psychoenergie, Seancen, Schwarze Messen, neuer Hexenkult, Teufelsspuk, Satansmusik, - das alles sind Phänomene, die in Zeiten allgemeiner weltanschaulich-religiöser und sozialer Unsicherheit neu an Boden gewinnen.“

Diese Argumentation ist in pädagogischer Verantwortung gewiss nachzugehen, aber sie greift zu kurz, wenn man den Text Storms allein unter rationalistischen Gesichtspunkten betrachtet, wie es der Verfasser nahe legt: „Eine differenzierte Analyse der abergläubischen, z.T. spiritistischen Elemente der Schimmelreiter-Novelle erweist sich auch deshalb als dringlich, weil deren Rezeptionsgeschichte nicht frei ist von Dämonisierungen der Schimmelreiter-Gestalt. Storms Vorliebe für Spukgeschichten und spiritistische Erscheinungen ist ja den Literaturkritikern bekannt.“

Hierzu sind in den letzten Jahren differenzierte Analysen erarbeitet worden, die zeigen, dass das Dämonische durchaus auch in die Sphäre des nüchternen Erzählers einbricht, etwa mit der zweifachen Erscheinung des gespenstigen Reiters. Die erzählerische Funktion des Dämonischen müsste meines Erachtens durchaus im Unterricht thematisiert werden. Es geht nicht um Irrationalismen im Sinne einer modernen Esoterik, sondern um die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Naturereignissen und gesellschaftlichen Prozessen, die die verschiedenen Erzählerinstanzen der Novelle dem Leser vorführen, ohne ihm eine „richtige“ (und „aufgeklärte“) Version nahe zu legen. Es ist ein Moment der ästhetischen Qualität des Textes, dass dieser mehrfache Erzählansätze enthält und so alternative Interpretationen der Ereignisse um Hauke Haien anbietet. Dabei kommt den Elementen des Dämonischen auch symbolische Bedeutung zu: Das Teuflische kann über die naive Personalisierung etwa im Schimmel-Verkäufer (durch Hauke Haien) oder in Hauke (durch die Dorfbewohner) durchaus auf Negatives, „Böses“ verweisen, das auch den Helden in Storms Geschichte charakterisiert.

Auch die Verwendung des Begriffs des „Tragischen“ als literaturwissenschaftlichen Terminus hätte theoretisch zumindest im Ansatz reflektiert werden müssen; so ist der Benutzer auf eigene Recherchen angewiesen oder er übernimmt die Intentionen des Verfassers ungeprüft.

Das didaktische Konzept vermittelt die - in dieser Darstellung - sehr eng wirkende Interpretation von Winfried Freund und legt auf „die zunehmende Visualisierung der Welt der Schüler“ großen Wert; deshalb enthalten verschiedene Dateien graphisches Material, das sich z.T. zur Herstellung von Folien oder Kopiervorlagen eignet und das neben der Veranschaulichung auch die Zusammenfassung von Erarbeitungsprozessen erleichtern soll. Der Verfasser nennt sie „Strukturgraphen“, aus denen „die Problemfelder, die Feldbeziehungen sowie die Schlussfolgerungen“ hervorgehen sollen. Die entsprechenden Dateien sind ebenfalls mit entsprechenden Filetypen-Bezeichnungen versehen: *.ARB (Arbeitsblätter für die Schüler) und *.TAF (Tafelbilder für die Hand des Lehrers und zur Bearbeitung an der Tafel oder auf Folie). Welchem Lern- oder Erziehungskonzept der Verfasser verpflichtet ist, wird nicht ausgewiesen.

Unter den Materialien, auf die der Lehrer bei seinem Unterricht zurückgreifen kann, befinden sich auch Quellentexte, Informationen zu Leben und Werk Storms, zu seiner Dichtung, zur Novellentheorie, zur Epoche des Realismus sowie Hinweise zur Aufsatzerziehung mit einem Themenvorschlag und einer Gliederung.

Der Benutzer findet also eine Fülle von Anregungen und Materialien und kann sich seine eigene Unterrichtsreihe zusammenstellen, wozu er allerdings etwas Zeit investieren muss; der eindeutige Vorteil gegenüber traditionellen Unterrichtskommentaren ist die Freiheit, auf einfache Weise in die Gestaltung der Schülermaterialien einzugreifen.

Aus: Theodor Storm in den „Neuen Medien“ von Gerd Eversberg (Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 49.2000)

Klaus Hildebrandt: Theodor Storm: Der Schimmelreiter. München: Oldenbourg, 2., überarbeitete und korrigierte Auflage 1999, (Oldenbourg-Interpretationen, Bd, 42.)

Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Novelle, hg. von Johannes Diekhans. Erarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Widar Lehnemann. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh 1999.

Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Mit einem Kommentar von Heribert Kuhn. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1999. (Suhrkamp BasisBibliothek 9.)

In den letzten Jahren lässt sich ein neues Interesse für Storms Meisternovelle im Unterricht verschiedener Schulformen beobachten. Die meisten Pädagogen setzen diese Lektüre für die Jahrgangsstufen 9 und 10 an, einige auch früher; ein sehr umfangreiches Beispiel für die Materialaufbereitung des „Schimmelreiter“ -Komplexes ist z.B. in dem Lesebuch „Wortwechsel. Deutsch in der Jahrgangsstufe 9“ (Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 5.257 327) zu finden.

Es gibt eine Reihe von Texten, die vor allem für Schüler geeignet sind; dem Storm-Archiv liegen Lektüren folgender Verlage vor: Bange Verlag (Königs Lektüren); Cornelsen Verlag (Klassische Schullektüre); Dressier Verlag (Dress-1er Kinder-Klassiker); Verlag Hamburger Lesehefte; Husum Druck; Insel Verlag/Suhrkamp; Klett Verlag (Lesehefte); Verlag Ferdinand Schöningh (Schöninghs Deutsche Texte); Deutscher Taschenbuch Verlag (Bibliothek der Erstausgaben); Philipp Redam (Reclams Universal-Bibliothek).

Hier gilt es, drei neue Erläuterungsbände vorzustellen, die Lese- und Interpretationshilfen für Lehrer und Schüler anbieten.

Klaus Hildebrandts Band ist bereits 1990 zum ersten Mal erschienen und liegt nun in einer aktualisierten Fassung vor. Er wendet sich an Lehrer und erweist sich als der umfangreichste der Kommentare. Hildebrandt beginnt mit einer Darstellung der Novellistik Storms vor dem Hintergrund verschiedener Definitionen der Novelle im 19. Jahrhundert. Storms Schaffen wird als ein genetischer Prozess von den lyrischen Anfängen bis zur realistischen Altersnovellistik beschrieben. Die Entstehungsgeschichte des Schimmelreiter“ wird ausführlich dokumentiert, die Rahmenstruktur herausgearbeitet und die Erzählteile differenziert untereinander in Beziehung gesetzt. Hier referiert der Verfasser die Ergebnisse der Storm-Forschung mehrerer Jahrzehnte. Bei der Bestimmung der Erzähler reproduziert er einen verbreiteten Interpretationsfehler, indem er äußeren Rahmenerzähler und Autor gleichsetzt; neben dem Erzähler der zweiten Ebene wird der Schulmeister als eigentliche Erzählinstanz bestimmt, ohne dass weitere Informanten näher untersucht würden, wie dies von aktuellen Ansätzen zur Erzählforschung vorgeschlagen wurde. Breiten Raum nehmen Hinweise zur Sprache der Novelle ein, ein für einen didaktischen Kommentar wichtiger Aspekt, da hieraus Konsequenzen für die Unterrichtsplanung abgeleitet werden können. Hauke Haien steht als Person im Mittelpunkt der Interpretation; Schwerpunkte sind die Begriffe Hybris und Sühne durch seinen Opfertod. Das entspricht im wesentlichen den Deutungen der Jahrzehnte nach Gründung der Bundesrepublik; einige Aspekte, die von der DDR-Germanistik hervorgehoben wurden, werden referiert. Neuere Sichtweisen auf die Novelle, etwa Haukes einseitiges Verhältnis zur Natur und seine sozialen Defizite, werden nur am Rande erwähnt, Winfried Freunds Deutungsansatz, der schon vor fast zwanzig Jahren entwickelt wurde, als „modernistisch“ abgelehnt. Gerade das Ausblenden der seit Mitte der 1980er Jahre entstandenen Spezialuntersuchungen, auch der Veröffentlichungen zu den drei Storm-Filmen, lässt diesen Kommentar verstaubt erscheinen. Der Band ist eine solide Materialzusammenstellung, die aber neuere Forschungserträge zu Storms Erzählkunst und speziell zum „Schimmelreiter“ sowie Ansätze zur Medienerziehung nur am Rande oder gar nicht zur Kenntnis nimmt. Auch der didaktische Kommentar, der um 1975 geschrieben wurde, ist einer älteren Vorstellung von Lektüren im Deutschunterricht verpflichtet und muss als fachdidaktisch veraltet bezeichnet werden.

Eine neue Textausgabe mit Erläuterungen für die Hand des Schülers hat Johannes Diekhans herausgegeben; der Novellentext folgt der Ausgabe Kösters von 1920 und wurde den modernen Rechtschreibregeln angepasst. Den knappen und schülergerechten Kommentar verantwortet Widar Lehnemann. Der Anhang bietet Texte und Materialien unter folgenden Kapitelüberschriften: Zur Biographie des Autors, Zum sachlichen Hintergrund der Novelle, Die Quellen, Zur Entstehung der Novelle, Zum Novellenbegriff und Eine Charakterisierung verfassen Tipps und Techniken.

Angeboten werden Auszüge aus der einschlägigen Sekundärliteratur, von denen auch einige Titel in einer kleinen Bibliographie aufgelistet werden. Im Detail erweist sich dieser Schülerkommentar als brauchbar, wenngleich nicht alle Einzelheiten dem Forschungsstand entsprechen. So wird bei Storms Übersiedlung nach Potsdam von „Berufsverbot“ gesprochen oder das Werk Storms mit folgenden Worten charakterisiert: „Als Lyriker schreibt Storm liedhafte Erlebnislyrik' in der idyllische Zustände (Heimat, Familie, Liebe) als vergangen oder bedroht dargestellt werden; [...]. Das Spätwerk umfasst vorwiegend realistische Schicksals- und Chroniknovellen, in denen der einsame Held gegen dämonische Elemente und ein vorgegebenes Schicksal ankämpft ohne Hoffnung auf Erlösung.“ Dies kann man in einer Reihe von einschlägigen Veröffentlichungen zu Theodor Storm sehr viel differenzierter lesen.

Der dritte Band mit dem Kommentar von Heribert Kuhn enthält Teile der Informationen einer CD-ROM, die ich in meinem Beitrag „Theodor Storm in den ,Neuen Medien“' besprochen habe. Die sachlichen Erläuterungen sind an den Rand des Textes gesetzt; der Novellentext folgt der kritischen Ausgabe des Deutschen Klassiker-Verlages von 1988. Der Kommentar enthält Hinweise und Materialien zur Werkgeschichte und zur Rezeption der Novelle; dabei bleibt er den Erläuterungen von Karl Ernst Laage im 4, Band der Klassiker-Ausgabe verpflichtet. Der ausführliche wirkungsgeschichtliche Teil referiert wichtige Deutungen vom Jahr der Erstveröffentlichung bis heute; allerdings werden aktuelle Spezialuntersuchungen zu Storms Novellistik und zur „Schimmelreiter“ -Novelle nicht einbezogen.

Dieser Mangel gilt für alle drei besprochenen Kommentare; trotz sachlich akzeptabler Erläuterung des „ Schimmelreiter“ fällt auf, dass die Spezialuntersuchungen zu Storms Schreibprozessen, zu seiner erzählerischen Entwicklung, zur Struktur der späten Novellistik und zur medialen Transformation seines Werks nicht in der erforderlichen Breite zur Kenntnis genommen werden. Die seit Thomas Mann immer wieder beklagte einseitige Storm-Rezeption, auf die von Seiten der Storm-Gesellschaft schon vor Jahrzehnten mit einem vielschichtigen Diskursangebot reagiert wurde, tendiert bis heute in erstaunlichem Maße zur Reproduktion von Vorurteilen über den Husumer Dichter. Mit bleibt unverständlich, warum Autoren und Lektorate das Angebot des Storm-Archivs nicht gründlicher nutzen.

Gerd Eversberg aus Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 49(2000)

 

Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Hg. von Claudia Lorenz und Christiane von Schachtmeyer. München: Oldenbourg 2000. (Lektüre, Kopiervorlagen)

Seitdem der Deutschunterricht die handlungsorientierte Behandlung von Literatur entdeckt hat, bieten die Verlage den Deutschlehrern entsprechend ausgearbeitete Modelle, die die Schüler zu kreativer anstatt zu kopflastiger Auseinandersetzung anregen sollen. Storms „Schimmelreiter“ eröffnet die Reihe ‘Lektüre’, die für einen lebendigen Umgang mit Ganzschriften Pate stehen soll. Die Grenzen dieser Methode sind jedoch bei dieser Darstellung offensichtlich.

In der Einleitung wird die Aufteilung des didaktischen Modells in einen nicht ganz nachvollziehbaren Texterschließungs- und in einen Interpretationsteil gegliedert. Dieser doppelte Zugang verlangt eine doppelte Auseinandersetzung, die sich für junge Leser als Belastung erweisen kann. Die textproduktiven Aufgabenstellungen sind zahlreich, vielleicht zu zahlreich, wenn man bedenkt, dass Storms Novelle hohe Anforderungen an die Fiktionskompetenz stellt und sich deshalb nicht nur schülerorientiert erschließen lässt. Das vorliegende Literaturkonzept lässt vermuten, dass sich die Textarbeit im Ankreuzen von vorgegebenen Lösungsmöglichkeiten oder in der Produktion paralleler Texte (Tagebuch, Theaterfassung, Eheberatung, Gerichtsverhandlung) erschöpft. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass einzelne Lösungsmöglichkeiten in den multiple-choice-Aufgaben abwegig und unangemessen erscheinen. Dass sie zu einem verfälschenden Textverständnis führen können und deshalb mit Vorsicht zu handhaben sind, zeigen z.B. die Fragen zum Charakter Hauke Haiens, der sich nicht statisch fassen lässt. Seine Position im Dorf und sein Selbstverständnis sind dem Wandel unterworfen und verlangen eine detailliertere Antwort. Querverweise in den Fragestellungen hätten diese Schwäche abfangen können.

Grundsätzlich seien Bedenken angemeldet gegen eine Methode, die Begriffe und Ein-Wort-Sätze vorgibt, statt sie selbstständig von Schülern erarbeiten zu lassen. Zur Verbesserung des Leseverhaltens wird in der Einleitung die Verzögerung als methodische Möglichkeit genannt. Hier wäre es bestimmt leserfreundlicher gewesen, eine (wenn auch knappe) Vorstellung der Arbeitsergebnisse Lindehahns und der Theorie Isers über die Vorstellungserschwerung bei fiktiven Texten zu liefern. Diese ergiebige Rezeptionshaltung, wozu das Erarbeiten von Lesehypothesen gehört, wird aber in den gewählten Aufgaben nicht genügend fruchtbar gemacht. Zu begrüßen sind hingegen die ansprechenden Illustrationen, die in die Interpretationsarbeit einbezogen werden. Dass das Gemälde Caspar David Friedrichs ‚Mönch am Meer’ von der ‚Schimmelreiter-Didaktik’ bereits 1996 entdeckt wurde, tut dessen Verwendung keinen Abbruch.

Die Zielgruppe dieses Erschließungsmodells wird nicht genannt, aber aus der Art einzelner Fragen ist zu entnehmen, dass schon die 7. oder 8. Klasse anvisiert wird. Manche Aufgaben wiederum können die Schüler überfordern, entweder weil die Formulierung zu wissenschaftlich oder weil der Umfang der notwendigen Textkenntnis von Schülern in diesem Alter nicht zu leisten ist oder aber weil sich die Informationen außerhalb ihrer Erfahrungsbereiche befinden. Zu häufig bleibt die Funktion solcher Aufgaben unklar. Fragen zum aktuellen Deichbau können von Experten beantwortet werden, sie tragen aber nicht weiter zu einem besseren Verständnis der von der Novelle aufgeworfenen Problematik bei. Das Umschreiben einer Textvorlage in einen Wetterbericht mag das Sprachvermögen des Schülers schärfen, die poetische Funktion des Stils Storms wird aber durch den vorgeschlagenen Sachtext nicht verdeutlicht. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Schüler zuerst ihr eigenes Verhältnis zum Aberglauben prüfen, bevor sie über dessen Funktion im Werk nachdenken. Der ausgesuchte Weg wird aber nicht kritisch beleuchtet, so dass der Eindruck entsteht, dass Hauke Haien erfolglos gegen die unaufgeklärten Dorfbewohner kämpft und allein daran scheitert. Das unterdrückte weibliche Erzählen, dem die aktuelle Forschung einen besonderen Stellenwert widmet, hätte im Rahmen der Analyse des Aberglaubens oder der Autorintention untersucht werden müssen. Die Sekundärliteratur beschränkt sich allerdings auf einen verlagsinternen Titel, der vor zehn Jahren erschienen ist - die überarbeitete Fassung von 1999 wird nicht erwähnt.

Es ist zu bezweifeln, ob mit diesem einseitigen methodischen Ansatz der junge Schüler zu einem angemessenen Verständnis der Novelle geführt werden kann, es sei denn, dass die im Anhang angeführten Informationen und verschiedene Antwortmöglichkeiten in einem abschließenden Unterrichtsgespräch diskutiert werden, so dass die Lerngruppe die erzielten Arbeitsergebnisse in einem literarischen Zusammenhang betrachten kann.

Jean Lefebvre, Büsum (Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 50.2001)

 

Burkhard Seidler, Herwig Grau und Dietmar Wagner: Literaturkartei: „Der Schimmelreiter“. Mülheim: Verlag an der Ruhr 2000.

Die Herausgeber der neuen Literaturkartei zu Storms 1888 erstmals veröffentlichten Hauptwerks „Der Schimmelreiter“ zählen diese Novelle zu den „Klassikern“ der Schullektüre und sind davon überzeugt, dass sich mit diesem Text „moderner Unterricht machen lässt“ und dass er „Themen berührt, die Schüler berühren“ (S. 3). Damit deckt sich die knappe didaktische Reflexion der Einleitung mit Beobachtungen, die mir von einer Storm-Renaissance sowohl der literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem „Schimmelreiter“ als auch seiner Bedeutung als Schullektüre zu sprechen erlauben. Ich habe in den letzten Bänden der „Schriften“ auf die überraschende Aktualität des „Schimmelreiter“ mehrfach hinweisen können.

Im Vordergrund der Kartei stehen die Materialien für den Unterricht; in der(zu) knappen Einleitung für Lehrer wird aber das didaktische Konzept der Autoren zumindest im Ansatz erkennbar. Der „Schimmelreiter“ gilt als ein Stück „Weltliteratur“, das in einer einzigartigen Landschaft verortet werden und moderne Leseerfahrung „auf eine faszinierende und irritierende Weise“ erweitern kann. Dieser Hinweis auf das Spannungsgefüge von „nachvollziehbarer Realität und geahnter Irrealität“ deckt sich mit den Beobachtungen, die man bei der Lektüre der vielen unterschiedlichen Interpretationen gewinnt, die in den letzten Jahrzehnten zu Storms Novelle veröffentlicht wurden. In ihnen wurde einerseits auf Storms Faszination durch das Konzept der Aufklärung und den dadurch ermöglichten technischen Fortschritt hingewiesen, andererseits aber auch die Brechung dieses optimistischen Denkens betont, das sich im „Schimmelreiter“ vor allem durch die Bedeutung des Mythos und den Einbruch des Irrationalen zeigt. Vor diesem zumindest angedeuteten geistesgeschichtlichen Hintergrund entfalten die Autoren Unterrichtsmaterialien, „die Varianten der Textanalyse ebenso ermöglichen wie Textproduktion und das Denken und Verstehen im Handeln verankern wollen“. (S. 3)

Die Kartei ist in „Arbeitsbogen“ und „Hinweise zu dem Arbeitsbogen“ gegliedert, die beide den Schülern zur Verfügung gestellt werden sollen. Die sehr umfangreichen Materialien – die Literaturkartei enthält fast einhundert Kopiervorlagen im Format DIN-A4 – provozieren gelegentlich die Frage nach der Unterrichtsökonomie; es darf aber nicht vergessen werden, dass sich die Reihe an Klassen aller Schulformen richtet und dass der Lehrer zur Auswahl aus dem angebotenen Material genötigt und zur Entwicklung eines didaktischen Konzepts verpflichtet ist, wenn die Unterrichtsreihe nicht ins Beliebige zerfließen soll. Dennoch erscheint mir eine Erweiterung der Kartei um ein paar Seiten fachliche und didaktische Überlegungen sinnvoll, vor allem um dem Benutzer ein paar Kriterien an die Hand zu geben, nach denen er die Ziele seines Unterrichts formulieren und Wege zu sinnvollen Zusammenstellungen ausgewählter Materialien finden kann. Eine vollständige Vervielfältigung des Materials für die Hand der Schüler kann doch wohl kaum das dahinter stehende didaktische Konzept sein.

Die Themen entfalten in ihrer Gesamtheit ein buntes Kaleidoskop möglicher Zugänge zum Text: Am Deich, am Meer, extreme Landschaft als Erfahrungswelt; Deichbau, Biographisches; Geographie der Schauplätze, Tier- und Pflanzenwelt u.s.w. In einer textorientierten Erarbeitungsphase werden diese Aspekte weiter differenziert: Land und Leute, Personen, Typen, Filmische Adaptionen sind Perspektiven, die zum größeren Teil auf produktionsorientierte Schüleraktivitäten zielen. Motivierend wirken Arbeitsaufgaben, die durch Gegenwartsbezüge den historischen Abstand zum Novellengeschehen aufheben, ohne das Bewusstsein dieser Distanz unkritisch aufzugeben: Zeitungstexte, Tagebuchnotizen, Produktion von Alternativerzählungen, Briefe und andere Schreibanlässe werden vor der historischen Textfolie zu jugendgemäßen Schreibversuchen und ermöglichen Assimilationen zwischen dem jeweiligen Schülerbewusstsein und der von einem klassischen Text ausgelösten Fiktion. Bei aller Aktualisierung (z.B. Buchgestaltung, Werbung) kommen aber Struktur der Novelle und Charakter der Personen nicht zu kurz. Haus, Deich, Meer, soziales Gefüge früherer Jahrhunderte sowie Haukes Verhältnis zur lebenden Kreatur werden so in einen Bedeutungszusammenhang mit der Landschaft und mit der Biographie des Autors gebracht und immer wieder auf primäre Textstellen zurückgeführt. Die Arbeitsbogen ermöglichen eine Vielfalt unterschiedlicher Schüleraktivitäten und dienen zugleich der Ergebnissicherung, der Leistungsüberprüfung und – für den Lehrer - der Unterrichtsevaluation. Es schließen sich Hinweise zu Referaten und Projekten sowie ein Quellen- und Medienverzeichnis an.

Insgesamt macht das Material einen solide recherchierten und didaktisch verantwortungsbewusst und schülernah durchdachten Eindruck und lässt sich in verschiedenen Jahrgangstufen der Sekundarstufe I unterschiedlicher Schulformen einsetzen.

Gerd Eversberg, Husum (Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 50.2001)

 

Hyperlinks

Wir haben einige interessante Seiten im Internet gefunden, die weitere Materialien zu Storms "Schimmelreiter" anbieten.

Helmut Hoffmann, Fachleiter Deutsch am Studienseminar Braunschweig, hat unter der Adresse www.duonline.de/reihe/3008/0.htm Unterrichtsentwürfe für eine Reihe:
Storm - Der Schimmelreiter eingestellt. Folgende Einzelthemen sind abrufbar:

Vorlauf – Einführung
Der Anfang
Hauke Haien - eine Charakterisierung
Boseln
Ehrenhaftigkeit u. Liebe, Ehrsucht und Hass
Der geplante Koog – Skizze
Jeverhallig-Episode 1
Jeverhallig-Episode 2
Verfilmung von 1934 (1)
Verfilmung von 1934 (2)
Vergleich Novelle - Verfilmung (Angemessen?)
Der Schluß (1) Unterschiede zwischen Text und Film
Der Schluß (2) Film als Interpretation und Ausdruck von Zeitgeist
Übung zur Vorbereitung auf die Klassenarbeit

Cornelsen Verlag (LITERAMEDIA), Unterrichtsvorschläge und kopiervorlagen zu Buch, Audio Book, CD-ROM, 2006;
Klett Verlag (Taschenbücherei, Arbeitsheft, erarbeitet von Karin Pohle) 2007

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