Dokument vom:
18.09.2008
Eine Halligfahrt - Geistige Strömungen

Geistige Strömungen

 

 

Die Literatur der "Neuen Zeit" umfasst den Zeitraum vom Revolutionsjahr 1848 bis zum 1. Weltkrieg. Wie in den vom selben Geiste erfüllten Zeitabschnitten lassen sich drei Entwicklungsstufen unterscheiden. Voraus geht die Vorbereitungszeit, die Abkehr von der Romantik durch das "Junge Deutschland". Daran schließt sich die Herrschaft des Liberalismus, der in der Dichtung im Realismus zum Ausdruck kommt. Darauf folgt der sozial, national und religiös betonte Rückschlag, den wir nicht ganz zutreffend als Naturalismus bezeichnen. Den Höhepunkt des Zeitalters bildet der Symbolismus, der zugleich Wendepunkt ist hinüber zur unmittelbaren Gegenwart, zur "Neuesten Zeit".
Der Realismus entwickelt sich 1848 - 1875 aus dem "Jungen Deutschland" heraus, dessen kämpferischer Gesinnung geschwunden ist, doch zeigt die nationale Einstellung der meisten Dichter dieser Zeit noch ihre Verbundenheit mit der Romantik. Nur auf religiösem und politischem Gebiet hat man sich schon von den bisherigen Anschauungen freigemacht. Eine neue Aufklärung setzt ein, gefördert durch die Naturwissenschaft. Das neue Leben steht im Mittelpunkt der Dichtung, klar und realistisch, es ist nicht mehr die geträumte Welt der Romantik.
Die Ursachen für das Aufkommen des Realismus waren weitgehend technischer und wirtschaftlicher Art. Schon seit der Erfindung der Dampfmaschine im Jahre 1765 hatte sich manche Änderung im Wirtschaftsleben vollzogen (Spinnmaschine, mechanischer Webstuhl usw. ). Doch seit der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte in Deutschland eine geradezu revolutionierende Entwicklung ein. In 30 Jahren wurde die Umwelt der Menschen stärker verändert als früher in den Jahrhunderten. Aus der beschaulichen "guten alten Zeit" wurde in wenigen Jahrzehnten das nüchterne Maschinenzeitalter. Das handwerklich und landwirtschaftlich bestimmte Deutschland entwickelte sich zu einem Industriestaat mit Fabriken, Eisenbahnen und wachsenden Städten. Aus selbständigen Handwerkern und Bauern wurde das unselbständige Proletariat der Lohnarbeiter. Jeder einzelne wurde in diese Entwicklung mehr oder weniger stark einbezogen.
Deshalb ist es verständlich, dass die Menschen innerlich eine Wandlung durchzumachen hatten. Männer, die als Arbeiter, Angestellte oder Unternehmer täglich zwischen Maschinen, Kalkulation, Konkurrenzkampf und oft in bitterster Not standen, hatten wenig Sinn für romantische Schwelgerei. Sie waren real ( wirklichkeitsnahe ), nüchtern und diesseitsgewandt.

Nach oben