Dokument vom:
30.01.2009
Internationale Storm-Tage 2007

Internationale Storm-Tage, Husum 2007


Die Storm-Tagung 2007 war dem Verhältnis des Dichters zu seinem Sohn Ernst gewidmet.

 

 

Aus der Dithmarscher Landeszeitung (DLZ) vom 17.09.2007  (von Dr. Katrin Schäfer)
Dichter mit „Nachwuchssorgen“
Storm-Tagung widmet sich der Rolle Theodor Storms als Familienvater.
Husum. – Termingerecht trafen sich die Freunde zu Theodor Storms 190. Geburtstag (14. September) zu einem Programm, das nicht nur eine Lesung von Dr. Gerd Eversberg über den „wilden Storm“ in seinen Sturm- und Drang-Jahren beinhaltete, sondern auch eine Matinee mit Buchvorstellung, die obligatorische Mitgliederversammlung mit Festvortrag am Samstagnachmittag und einem Liederabend mit Werkstattgespräch umfasste. Den Abschluss bildete wie immer die sonntägliche Exkursion, diesmal ins dänische Tondern.
„Nachwuchssorgen“ standen sozusagen im Mittelpunkt der diesjährigen Storm-Tagung, die sich vorwiegend dem Verhältnis von Theodor Storm zu seinen Kindern widmete. Theodor Storm war Vater von acht Kindern und obwohl man anhand seiner kindgerechten  Gedichte und Geschichten wie zum Beispiel „Der kleine Häwelmann“ vermuten könne, er sei ein richtiger Bilderbuchvater gewesen, entwirft das Quellenstudium ein ganz anderes Bild: Er war vielmehr ein hochgradig neurotischer Vater, von geradezu patriarchalisch-autoritärer Strenge und Erziehungsidealen des damaligen Bildungsbürgertums geprägt.
Der englische Germanist Prof. Dr. David Jackson, der bis zu seiner Emeritierung an der University of Wales, Cardiff, lehrte, hat nun den Briefwechsel zwischen Storm und seinem zweitältesten Sohn Ernst ediert. Der eben erschienene Band bietet erstaunliche Einblicke in die gespannten Vater-Kinder-Verhältnisse und deren Auswirkungen auf das Stormsche Familienleben und sein literarisches Werk. Die Briefe, die erstmals unzensiert und vollständig veröffentlicht wurden, verdeutlichen, unter welchem Druck die Söhne standen. Theodor Storm duldete keine Abweichungen von seinen persönlichen Idealvorstellungen. Für ihn kam dies gleich mit einem persönlichen Scheitern, wollte er doch seine Kinder zu erfolgreichen Bildungsbürgern formen.
Dass Storm sein eigenes Lebensideal sozusagen auch auf seine Töchter übertragen wollte, erläuterte David Jackson in seinem Festvortrag, den er vornehmlich der ältesten Tochter Lisbeth widmete.
Storms Einstellung zur Rolle der Frau würde man heute als chauvinistisch bezeichnen. Als Kernkompetenzen galten für ihn Haushaltsführung und die Fähigkeit, als niveauvolle Gesellschafterin aufzutreten. Als besondere Befähigung, die er auch bei seiner Tochter förderte, sah es das Klavierspielen a, könnte eine Frau doch damit immerhin eine gewisse Selbständigkeit etwa als Klavierlehrerin erlangen. Dieses Idealbild vor Augen führte zwangsläufig dazu, dass Storm seine vier Töchter in die klassischen Frauenrollen drängte. Diese Verklärung der aufopfernden Bereitschaft der Frau prägt ja deutlich auch das literarische Werk Storms.
Verständlich, dass so Spannungen zwischen Storm und seinen Kindern nicht ausblieben. Nachwuchssorgen eben – die übrigens ebenso die heutige Stormgesellschaft plagen, sind doch die Mitgliederzahlen wieder einmal empfindlich zurückgegangen.

 

Dieser Band ediert erstmals die Briefe zwischen Storm und seinem Sohn Ernst. Ernst, Storms zweitältester Sohn, erweist sich in ihnen als willensschwacher Hypochonder, der einem ausschweifenden Studentenleben huldigte, das sich bis in die Berufsjahre als preußischer Amtsrichter hinzog und Storm große Sorgen bereitete. Die Briefe aus den späten 1860er und frühen 1870er Jahren zeigen bei Storm einen Teufelskreis von mangelnder schriftstellerischer Produktivität, finanziellen Sorgen, ängstlichem Stress und allerlei psychosomatischen Beschwerden. Die späteren Briefe bringen aufs eindringlichste die furchtbaren Ängste zum Ausdruck, die der Alkoholismus des ältesten Sohnes Hans bei seinem Vater verursachten. Der Band bietet faszinierende Einblicke in Werk und Familienleben Theodor Storms und veröffentlicht zum ersten Mal unzensiert und kritisch alle erhaltenen Briefe zwischen Storm und seinem Sohn Ernst.


Theodor Storm – Ernst Storm
Briefwechsel. Kritische Ausgabe
In Verbindung mit der Theodor-Storm-Gesellschaft herausgegeben von David A. Jackson (Storm-Briefwechsel, Band 17)
450 Seiten, 15,8 x 23 cm, kartoniert, erschienen September 2007, EUR 69,80, ISBN: 978-3-503-09815-6

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