Dokument vom:
18.09.2008
Eine Halligfahrt - Geschichtlicher Hintergrund

Geschichtlicher Hintergrund

 

 

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gärte es in vielen europäischen Ländern. Die erfolgreiche Julirevolutionen von 1830, die gezeigt hatte, dass sich das französische Volk nicht mehr absolutistisch regieren ließ, hatte wie ein Fanal gewirkt und allerorten das schwelende Feuer der Revolution entfacht. Es war wie eine Kettenreaktion, die sich bis zu den großen Entladungen von 1848 steigerte. Auch die nationalliberale Bewegung in den deutschen Ländern, die durch die Julirevolution einen starken neuen Auftrieb gewann, wurde von den Reaktionären niedergeschlagen. Viele Universitäten unterhielten eine revolutionäre Geheimverbindung. Diese Kreise organisierten 1832 das ´Hambacher Fest´, auf dem Tausende den Rednern und ihrer Parole ´Vaterland, Volkshoheit, Völkerbund´ zujubelten. Daraufhin erließen die Herren des Deutschen Bundes eine Reihe von einschneidenden Gesetzen: Die Vereinigungsfreiheit wurde aufgehoben, ebenso die Reste der Pressefreiheit; die Geheimpolizei aller Bundesländer arbeitete zusammen, um Aufführer aufzuspüren; die Universitäten wurden streng überwacht; die Rechte der Landstände in den Einzelstaaten wurden zugunsten der Bundesgewalt eingeengt. Einige solcher Gesetze wurden nicht veröffentlicht, sondern heimlich in Kraft gesetzt. Viele der führenden Geister flohen aus Deutschland nach Frankreich oder England oder gar nach Amerika. Auf anderen Wegen aber wurde der nationale Gedanke in Deutschland dennoch gefördert. In der aufstrebenden industriellen Wirtschaft waren die vielen Grenzen der deutschen Kleinstaaten mit ihrer Zollvorschriften sehr lästig geworden. So schuf die preußische Verwaltung einen Zollverein, der die Länder von Luxemburg bis Memel, von Stettin bis München zu einem Wirtschaftsraum mit einheitlichen Zollsätzen werden ließ. Die reformfreudigen preußischen Beamten, die diese wirtschaftliche Einigung -- zum finanziellen Nachteil Preußens übrigens -- erreicht hatten, erhofften davon eine Entwicklung auch zur politischen Einigung. Metternich aber erklärte den Zollverein als den ersten Schritt zu einer kommenden Revolution.
Er sollte recht behalten. Die jahrelang von der ´Heiligen Allianz´ gehemmte soziale Entwicklung Mitteleuropas hatte inzwischen das politische Bewusstsein der Bürger revolutioniert. Immer dringender verlangten sie nach dem demokratisch konstituierten Nationalstaat, und auch die Arbeiterklasse, die durch die zunehmende Industrialisierung im Entstehen war, forderte durch ihre Vorkämpfer die soziale Revolution. Im Jahre 1848 gab es dann in Paris den erwarteten Umsturz.
Nur die deutschen Kleinstaaten machten Pläne zur Bindung einer großen deutschen Nation, und der preußische König versprach seinem Volk eine Verfassung. Aber die einfachen Leute in den meisten dieser Länder waren nicht auf die Demokratie vorbereitet. Die große Mehrheit der Bauern war ungebildet und verstanden die Bedeutung von Revolutionen und Demokratie gar nicht. Die Männer, die überall die Revolution führten, waren gering an Zahl. So fiel es den Herrschenden nicht schwer, die Aufstände nach kurzer Zeit niederzuschlagen.
Zu verschiedenen Zeiten in der Geschichte hat das Wort ´ liberal ´ verschiedene Bedeutungen gehabt. Während der Zeit der 1848er Revolutionen wollten die Liberalen das Wahlrecht für alle Mitglieder der besitzenden Klassen -- Industrielle, Kaufleute, Bankiers wie auch Aristokraten -- , aber sie waren dagegen, das Wahlrecht dem gemeinen Volk zu geben. Sie wollten lieber eine Reform als eine Revolution, lieber eine konstitutionelle Monarchie als eine republikanische Demokratie.
Und doch, obgleich die Revolutionen von 1848 scheiterten, ließ sich Europa das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen. Die Leibeigenschaft war in Mitteleuropa beendet, die Bauern waren frei geworden. Das Nationalgefühl wurde gestärkt, besonders in Deutschland und Italien. Metternich war in der Verbannung, und so hatten die Könige, Adligen und Besitzenden keinen Führer mehr, um den sie sich sammeln konnten.
In etlichen europäischen Ländern aber bildeten sich in diesen Jahren verfassungsmäßige Regierungen mit gewählten Parlamenten -- in Skandinavien, Belgien, Holland, und der Schweiz. Dort waren die Minister den Volksvertretern gegenüber verantwortlich. Allen Bürgern war die persönliche Freiheit und das Wahlrecht garantiert.

Nach oben