Dokument vom:
18.09.2008
Der Schimmelreiter - Einleitung

Einleitung

Fast täglich erreichen das Storm-Archiv Anfragen per Telefon, Post oder E-mail, in denen ganz unterschiedliche Personen nach Informationen zu Gedichten und Erzählungen Storms fragen. Da suchen Schüler Materialien für Referate, Lehrer benötigen Bilder und Quellentexte sowie didaktische Hinweise für den Unterricht, Storm-Leser interessieren sich für die Schauplätze der Novellen oder möchten Näheres über Textausgaben in verschiedenen Sprachen wissen. Viele dieser Interessenten fragen nach Einzelheiten über Storms „Schimmelreiter“-Novelle.

Theodor Storm gehört zu denjenigen Autoren der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die bis heute viel gelesen werden. Früher galten seine Novellen als bevorzugte Schullektüre, da in ihnen menschliche Grunderlebnisse in schlichter und einfacher Weise sehr poetisch dargestellt werden. In der letzten Zeit kann man eine erneute Hinwendung zu diesem Autor feststellen, der noch vor einigen Jahren in den Verdacht eines konservativen, die wirklichkeitsfremde Idylle liebenden Schriftstellers geraten war. Diese neuerliche Beschäftigung mit Storm in der Schule hat aber auch einen anderen Grund. Nach Jahren der Aufarbeitung bisher zu Unrecht vergessener und verschwiegener sozialkritischer Autoren wird der Begriff Natur wiederentdeckt, und es setzt eine neuerliche Identifizierung mit dem überschaubaren Lebensraum ein, aus dem wir stammen und in dem wir uns bewegen. Storm ist kein Heimatdichter, aber er hat fest in seiner Heimat verwurzelt aus dieser Identifikation mit dem Land zwischen den Meeren und seinen Menschen seine sprachlich reizvollen Gedichte und Novellen geschrieben. Moderne Menschen vermissen immer mehr diese verlorene Identität. Da aber seit einiger Zeit die scheinbar unbegrenzte Fortschrittsgläubigkeit einer zweifelnden Haltung weicht, weil wir in unserer von moderner Technik so veränderten Welt auch den Sinn unseres Tuns nun wieder in Frage stellen, gewinnt ein Autor wie Storm für uns Bedeutung, der uns aus einer vergangenen Zeit keine Idyllen vor Augen führt, sondern der zutiefst menschliche Probleme und Konflikte gestaltet, und das mit einer sprachlichen Kraft und poetischen Trefflichkeit, die uns bei der Besinnung auf unsere Herkunft und auf den Sinn unseres Lebensweges berühren kann. Die Schimmelreiter-Novelle steht am Ende des Schaffens Storms; im hohen Alter und von tödlicher Krankheit gezeichnet, hat er in ihr all sein erzähltechnisches Können aufgeboten und gleichsam sein literarisches Vermächtnis hinterlassen.

Die vorliegenden Materialien und Erläuterungen sollen interessierten Storm-Lesern das Verständnis der Novelle „Der Schimmelreiter“ erleichtern und stellen zugleich Materialien aus dem Storm-Archiv bereit. Sie sind aber auch für Lehrer und Schüler gedacht, die nach biographischen, didaktischen oder literaturhistorischen Hintergrundinformationen suchen. Die Erläuterungen zum Text bieten Information zur Werkgeschichte, die sachlichen und sprachlichen Erläuterungen dienen dem unmittelbaren Textverständnis, während die Dokumente zur Interpretation auf Perspektiven möglicher Deutungen der Novelle verweisen sollen. Eine ausführliche Rezeptionsgeschichte stellt die Fülle der bisher veröffentlichten Interpretationen der Novelle vor und zeigt, welche unterschiedlichen Akzenten in den vergangenen rund hundert Jahren betont worden sind. Das umfangreiche Literaturverzeichnis kann als Anregung genommen werden, sich weiter mit Theodor Storm zu beschäftigen.

Für Hinweise auf Fehler und für Erweiterungsvorschläge sind wir unseren Nutzern jederzeit dankbar.

Das Material wurde aus den Beständen des Storm-Archivs, Husum und des Storm-Nachlasses der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, Kiel von Dr. Gerd Eversberg zusammengestellt.

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